Die fünfundfunfzigste Fabel.
Wie ein Jüngling ein alten Man belacht.

Jetzt ists in aller welt gemein,
Den großen oft belacht der klein,
Wenn er an im nur siht ein feil,
Der im wird selber oft zu teil,
Und e er sich hütet darfür,
So helts im selber vor der tür.
Desgleich von einem jungen gschach,
Der einen alten man ersach,
Welcher vor alter sich must bucken,
Als het er bogen auf dem rucken.
Den tet derselbig jüngling fragen,
Sprach: »Wie teur gebt ir mir den bogen,
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Den ir auf eurem rucken tragt?«
Da antwort im der alt und sagt:
»Ei, lieber son, dein gelt halt in
Auf größern frummen und gewin.
Wie woltstus so unnütz hingeben?
Wirdstu auch achtzig jar erleben,
Solt wol ein bogn umbsunst bekummen,
Der wird dich gleich wie mich jetzt krummen.«
Man sol die alten nicht belachen
Oder zu eim spotvogel machen,
Weil niemand, den die jar betagen,
Des alters unlust kan abtragen,
On der keinr alten jar wil denken,
Laß sich frisch in der jugent henken.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. 55. Wie ein Jüngling ein alten Man belacht. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-9165-9