[216] Die sechsunddreißigste Fabel.
Vom Koch und einem Hund.

Es het ein koch ein schwein geschlacht,
Vil guter frischer würst gemacht;
Dieselben an ein laden hieng,
Da das volk gleich vorüber gieng.
Das sahe ein hund und blieb bestan
Und gafft die würst gar fleißig an.
Die leut, so da vorüber giengen,
Feilschten, und umb die würst zu dingen,
Fragten, wie teur er sie wolt loßen.
Er sprach: »Zu groschen gib die großen;
Auch minder ichs nit geben wil.
Die kleinen gelten halb so vil.«
Damit ein jeder wider gieng.
Gar bald der hund zum koch anfieng,
Er sprach: »Mein freund und lieber koch,
Wolt, daß wer in der welt so noch
Wie vor zeiten, in alten jarn,
Da die hunde auch reicher warn.
Denn so wars bei der alten welt,
Da hetten alle tier auch gelt,
Gleich wie jetzund haben die leut.
Ja, wenn es noch also wer heut,
So wolt ichs hertragen mit haufen
Und dir all dise würst abkaufen,
Daß ich ein mal recht wol möcht leben.
Vor jede wolt ein taler geben
Und nit so wie die leut es sparen,
Mit irem gelt zum teufel faren.
Ichs warlich wol baß wagen dürst:
So herzlich wol schmecken die würst.
Vergangne fasnacht erwischt ein stück,
Wiewol mirs tet gar we im rück,
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Noch dunkt mich, wenn ich denk daran,
Daß ich sie riech und vor mir han.
Drumb bitt Gott, daß er dise sach
Umbker und auf das alte mach,
Daß wir hund wider gelt bekummen:
Das sol dir all dein lebtag frummen.«
Ja, wenn die hund, kinder und fliegen
Gelts gnug hetten, wil ichs nit liegen,
Wern pfefferkuchen, honig, wurst
So teur, daß niemand kaufen durst.
Denn so gets zu, daß die unwißen
Allzeit geneigt sein und geflißen,
Daß sie, umb ein mal wol zu leben,
Als, was sie hetten, solten geben
Und aller wolfart sich erwegen,
Daß sie dem bauch wol möchten pflegen.
So tun gmeinlich die jungen knaben,
Die stets den fraß zum abgott haben.
Der demut sich nicht solten schemen,
Und wol ein kleines dörflin nemen,
Und helfen eim ein lant verzeren.
Man muß aber solchen gselln weren
Und nit zu vil gewalts einreumen,
Daß sie nit irs gefallens scheumen,
Weisens hin, daß sie etwas bginnen,
Durch sauren schweiß die kost gewinnen:
Denn findt sichs, daß sie sich nit strecken
Weiter, denn sie selb mögen decken.

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TextGrid Repository (2012). Waldis, Burkhard. 36. Vom Koch und einem Hund. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-91E4-9