Das Ander Lied

Von Anapästischen Versen.

darinnen der letzte Vers in jedem Gesetze hincket.


Auff eine Hochzeit.

1.
Was seh ich/ was hör ich die Lüffte durchstreichen!
Ach! kommet Herr Breutigam/ sehet ümm euch/
Ach! sehet die Flammen/ die Zeichen ingleichen/
Wie pralen die Stralen/ ich werde fast bleich;
Es zittern die Glider
wie Flittern/ ein jeder
verwundert sich sehr/
Es nahen die Strahlen je mehr und mehr.
2.
Ists etwa das Feuer der springenden Ziegen?
Wie? oder ein Irrwisch so Menschen verführt?
Mit nichten. Ich sehe den Liebes-Gott flügen/
Sein Antlitz ist also mit Flammen geziert:
Er nähert sich immer
Dem Frauen-Gezimmer/
Wirfft Stralen herfür/
Ach sehet Er sitzet auch schon allhier!
[177] 3.
Ach! schöne Braut/ schauet er spannet den Bogen/
Er zielet nach euerem Hertzen/ dückt Euch!
Ach eylend! ach eylend! O seyd Ihr betrogen?
Wie werden die Lippen und Wangen so bleich/
Kein Athem sich findet/
Die Sprache verschwindet/
Bringt Wasser und Kraut/
Kraut/ Wasser her/ Wasser her! kühlt die Braut.
4.
Erschrecket doch aber nicht alle zusammen/
Ihr Jungfern/ und werdet nicht balde so roth:
Sie fühlet von Liebe nur innerlich Flammen/
Sie lebet noch gleichwol und lieget nicht todt.
Die Liebe das machet/
Worüber Ihr lachet
so hönisch und viel/
Hier spiegelt Euch itzund an diesem Spiel.
5.
Sol Venus Euch/ Schöne/ so balde bezwingen/
Recht! ruffet ein jeder/ wem dieses bewust/
So wolt ich ins Kloster auch zihen mit springen/
Wo Nonnen und Münche sich paaren mit Lust;
Wo Tugend und schertzen/
Wo Jugend und hertzen
Beysammen sich findt/
Die sehenden führet das blinde Kind.
[178] 6.
Das müssen wir lachen/ die Kräntze zubrechen/
Wie sehet Ihr/ Schöne/ so sauer uns an?
Ins Kloster zu ziehen war Euer versprechen.
Nun habet Ihr dieses nicht wacker gethan!
Es geben Euch heute
Das letzte Geleite
Die Freunde dazu:
So kommet die Jungferschafft auch zur Ruh!
7.
Der Himmel/ die Sterne/ das gütige Glücke/
Seyn sämmtlich Euch günstig und lachen Euch an;
Es zihet der Himmel das böse zurücke/
Es flinckert und blinckert der Sternen-Altan.
Das Glücke sich zeiget
Anitzo geneiget/
Drüm eylet zur Ruh!
Sie sagen Euch alle viel gutes zu.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Gedichte. Gedichte. Frühlingslust. Sechstes Dutzend. Das Ander Lied. Das Ander Lied. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AE41-1