[272] Das dritte Lied

An seinen träu-beständigen Freund/ Den Deutsch-hertzigen/ als Er von Ihm abschied nahm. gesetzet durch Malachias Siebenhaaren.


[273] 1.
Wan ich bestürtzt und traurig bin/
so ists üm dich/ o Liebster meiner Lieben/
weil du den deutsch-gesinnten sinn/
o deutsches Hertze/ wilst betrüben,
Ich fühle mich gerührt:
die hälfte meines hertzens
hastdu mier schohn entführt/
du brun-kwel meines schmertzens.
2.
Die liebe/ die von Frauen rührt/
entzündt sich bald/ und hitzt wie feuer-flammen;
doch wird sie nicht so hoch geführt/
und hat die augen nuhr zu Ammen:
die aber/ die aus träu/
aus freundschaft/ zwischen freunden
entspringt/ ist alzeit neu/
und steht bei freund und feinden.
3.
Die letzte treibet mich und dich
uns hold zu sein/ du Auszug meiner sinnen;
und diese macht es/ daß ich mich/
indem du ziehst so weit von hinnen/
für wehmuht kwehlen mus:
die zunge kwillt im munde
und schweigt den letzten grus
in deiner abschieds-stunde
[274] 4.
Dein lob wil ich mit Demant-stein
aufs lichte glas der ewigkeiten schreiben/
und deinen unverfälschten schein
zu jenen Helden einverleiben;
da wird die Leicht-ahrt dich/
die falsche/ sehn mit schmertzen/
und Roselinde sich
erfreun von gantzem hertzen.
5.
Vergis der falschen immerhin/
und mache dich zur träuen Roselinde:
es folgt dier nach mein hertz und sinn/
und wündscht dier alle guhte winde.
Gedenke meiner dan
wan du sie lässt erwarmen/
die dich so liebgewan/
in deinen träuen armen.
6.
Wohl! weil es ja getrennt mus sein/
und ich alhier noch diesen winter leben/
so wil ich manchen kühlen wein
dem halb-beraubten hertzen geben/
damit dasselbe teil/
das du ihm hast entzükket/
auch sei gesund und heil/
und du mit ihm beglükket.

[275] Spruchlied auf den Wahl-spruch/ Last häget Lust

Dornen-büsche tragen rosen/
stachel-stauden süße frucht;
rauhes wetter bringt zeitlosen;
sanfte ruhe folgt der flucht.
Acheln hägen gersten-körner;
disteln seind auch selbst geziert;
ebne stille folgt auf hörner/
so die See vom sturme führt.
Regen häget sonnen-blikke/
wie dein Himmel ist bewust.
So rufft auch mein glük zurükke:
Diese last hägt jene lust.

Rosen-währt/ der Färtige.

[276] Antwort auf foriges verkehrungs-weise gesetzet. Lust häget last

Rosen stehen zwischen stacheln/
süße beeren zwischen acheln;
auf die freude folgt das leid/
mit der zeit.
Die gebuhrt schleppt nach das sterben/
ja der anfang das verderben:
stille fluht hägt sturm der See/
wohl das weh.
Ankunft häget schohn das scheiden/
und auf freude folgt das leiden.
das belebte roht verblasst.
Lust hägt last.

Dornendulde/ die Langsame.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Das dritte Lied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AE6B-5