Das Neunde Lied

Von Sapphischen Versen.


Fast nach dem Griechischen der Edlen Poetin Sappho.


Φαίνετάι μοι κεῖνος ἴσος θεοῖσιν.

1.
Wer stets mag sitzen neben Dir/ o Schöne/
Schauet dein lachen/ höret dein Gethöne/
Der kan den Göttern gleich geschätzet werden/
billich auff Erden.
2.
Diß macht mein Hertze gantz und gar verzücket;
Da ich nur einmahl dein Gesicht erblicket/
bin ich verstummet; vor den süßen Reden
muß ich erblöden.
3.
Es steht die Zunge/ kann auch nicht mehr sprechen/
Weil mier die Stimme schone wil gebrechen/
Ich bin entzündet/ die verliebten Flammen
schießen zusammen.
4.
Das Ohr erklinget/ beyde Lichter weichen/
Der Schweiß durchdringet mein Gebeine ingleichen/
Schauern und zittern fallen hin und wider
über die Glieder.
[166] 5.
Ich bin verblasset wie die dürren Kreuter/
Fast gantz entseelet/ kann auch gar nicht weiter/
Der Athem schwindet/ daß ich nun muß werden
schleinig zur Erden.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Das Neunde Lied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AF5F-A