Das siebenzehende Lied

Auf die drei Schönsten in Utrecht.

gesetzt auf seine sonderliche weise durch Joan Martien Ruberten.

1.
Wie manchen stern der Himmel führet/
so manche Jungfrau lebt in dier/
o schönes Utrecht/ die dich zieret
und leucht wie sterne hoch herfür.
Hierunter kan nichts schöners sein/
als Kobed/ Ledar/ Ewalein.
2.
Die schöne seind von farb und gliedern/
seind oft sehr häslich vom gemüht;
und manche wil sich nicht erniedern/
trotzt bloß allein auf ihr geblüht.
Drüm kan und mag nichts liebers sein/
als Kobed/ Ledar/ Ewalein.
[334] 3.
Viel seind sehr artig von geberden/
dagegen schwartz und ungestalt;
ist sie die allerklügst' auf Erden/
so ist sie mehr als alzu alt.
Drüm kan nichts angenehmers sein/
als Kobed/ Ledar/ Ewalein.
[335] 4.
Ist manche gleich sehr wohl gebildet/
so ist sie tum und ungeschikt;
ein ander' hat das blei vergüldet/
die manches hertz/ wie gold/ verzükt.
Drüm kan ja nichts belobters sein/
als Kobed/ Ledar/ Ewalein.
5.
Dan Ewalein ist weis und weise/
und hat die allerliebste zier:
Von-Kobed kröhnt den wein mit speise/
und Ledar bringt die lust herfür.
Drüm kan und mag nichts süßers sein/
als Kobed/ Ledar/ Ewalein.
6.
Von-Ewalein ist schön und züchtig/
und über alles wolgestalt;
Von-Kobed from und tugend-richtig/
und Ledar ist ein Rosen-wald.
Drüm kan und mag nichts höhers sein/
als Kobed/ Ledar/ Ewalein.
7.
Von-Ewalein ist klug von sinnen/
sehr höflich/ zahrt und wohlgebildt/
Von-Kobed schön von auss- und innen/
und Ledar bleibt der Schönheit schild.
Drüm kan ja keine schöner sein/
als Kobed/ Ledar/ Ewalein.
[336] 8.
Von-Kobeds lob ist ausgesprochen/
daß sie keusch/ fromm und schöne sei.
Von-Ewalein ist aus-gebrochen
gleich wie der wunder-schöne mei.
Drüm kan ja nichts beliebters sein/
als Kobed/ Ledar/ Ewalein.
9.
Von-Ewalein bleibt schön in allen/
und Ledar freundlich/ roht und weis;
ja Ewalein mus selbst gefallen
der misgunst/ die ihr giebt den preis.
Drüm kan und mag nichts schöners sein/
als Kobed/ Ledar/ Ewalein.

Zugelaßene Liebes-übung

1.
Fasst muht/ ihr schöne Seelen/
zu widerstehn der blöden welt/
die euch mit schelten pflegt zu kwehlen/
und aller wohl-lust widerbellt.
2.
Sie setzt den lastern straks zur seiten
das allerliebste Lebens-licht/
und weil sie flüht die liebligkeiten/
lebt sie auch selbst im leben nicht.
[337] 3.
Verflucht die tohrheit dieser leute/
die nuhr aus bloßem schwermuht rührt/
und wählt der mehr beglükten seite/
da ihr nichts als vergnügung spürt.
4.
Auf! laßt die augen lächlend fechten/
ümhalset/ schertzet/ hertzt und küsst/
und spielt auch selbst bei allen nächten
was für ein spiel euch mehr gelüst.
5.
Besucht aus süßen rasereien
das edle volk der liebes-lust/
das euch im kummer kan erfreuen/
und letzet lippen/ hand und brust.
6.
Es ist ein volk von sanften sinnen/
das eher flöht üm eure gunst/
das eher sucht euch zu gewinnen/
als daß es spottet eurer brunst.
7.
Sprecht sie nuhr an ohn alles sorgen/
so werden eure dienste sein
erwiedert bei dem ersten morgen/
der auf mich wirft den gnaden-schein.
[338] 8.
Ob auch bei so versüßtem leben
gleich solt' ein herber gleitsman sein/
so giebt die lust/ darin wier schweben/
der seelen lindrung aller pein.
9.
Das willig-angetahne krunken/
das seufzen mit entzüktem muht/
die halb-verloschne Lebens-funken/
die seind es/ was uns dampf antuht.
10.
In so verzukkertem gefechte/
in solcher süßen sinnen-pein/
möcht' ich wohl alle tag und nächte
bis in den tod begriffen sein!

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TextGrid Repository (2012). Zesen, Philipp von. Das siebenzehende Lied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-AF70-D