15. Gedichte

Ueber des Engelländers John Undervvoods sonderbare Hochachtung und Liebe zu des Horatius Schriften.


Laßt ab, und macht euch nicht durch gar zu strengen Zwang
Die heissen Köpfe wüst; ihr, die ihr durch Gesang
Und euren Flöthen Thon, bey so verderbten Zeiten
Vor andern Ehr und Ruhm wollt mit Gewalt erbeuten.
Ihr sitzet Tag und Nacht an Aganippens Fluß,
Und da vergesset ihr auf einmal den Verdruß.
Da spielt ihr so entzückt und brünstig um die Wette,
Als wenn ein jeder viel davon zu hoffen hätte.
O! werft doch ungesäumt die matte Leyer hin,
Und störet weiter nicht den sonst so muntern Sinn.
Warum zerbrecht ihr euch mit Vorsatz das Gehirne,
Wenn ihr zu eurer Schmach der bulerhaften Dirne,
Uranien, die man sowohl als euch, verlacht,
Ein frisches Opfer bringt, und sie bey ihrer Macht,
Als eine Gönnerinn euch zuzuneigen trachtet;
Da man doch ihren Dienst, so wie euch selbst verachtet.
Wer ist wohl, der antizt bey der verkehrten Welt
Auf Phöbus edle Kunst und Wissenschaften hält?
Man schätzt sie höher nicht, als das Geplerr der Dohlen,
Die täglich ihr Geschrey mit Ekel wiederholen.
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Es ist ihr einerley, ob Opitz männlich singt,
Und ob ein Schäferknecht, der Zung und Lippen zwingt,
Auf einem dünnen Blat, das man ihn sieht ergreifen,
Sich selbst vor langer Weil ein Lied sucht vor zupfeifen.
Man hegt den tollen Wahn, als ob der Dichter Kunst,
Die doch vom Himmel stammt, nichts als nur lerer Dunst
Und Hirngespinste sey; des klügsten Dichters Lieder
Sind ja zu dieser Zeit sehr vielen ganz zu wieder;
Ja was? da sonst die Welt an Künsten sich ergetzt,
Und jede Wissenschaft, wie billig, hochgeschätzt,
So muß die Dichterkunst allein das Unglück treffen,
Daß jeder Thore sie verächtlich sucht zu äffen;
Der Musen rein Gewand mit Gall und Gift befleckt,
Die Schmähsucht gegen sie aus Schlaf und Schlummer weckt,
Und weil er recht vor Neid und Misgunst schnaubt und rauchet,
Auf ihrer Lorbern Pracht nach Art der Drachen hauchet.
Verschmähter Musengott! was nützt dein Unterricht?
Da man von deinem Chor nun so verächtlich spricht,
Ihm in das Antlitz speyt, auf seine Lieder fluchet,
Und den der ihn verehrt, stets zu verlästern suchet;
O! hemm doch ferner hin der muntern Finger Lauf,
Und häng das Seitenspiel an dürre Fichten auf,
Denn man betritt zu frech des hohen Tempels Schwellen,
Und sucht in ihrem Sitz den Musen nach zu stellen.
Bethörte Feder! halt, und gehe nicht zu weit,
Gesetzt, daß Davus auch und Mops aus Haß und Neid
Nach Art der wütenden und rohen Hottentotten
Die Kunst und ihren Werth aus Unverstand verspotten,
[284]
Den Sitz des Delius recht unverschämt entweyhn,
Der Pierinnen Schaar mit Bann und Stralen dräun,
Und sie auf ihrer Bahn mit Lästrungsvollen Schriften
Verfolgen, doch sich selbst ein ewig Schandmal stiften;
So weist du doch, daß es auch edle Geister giebt,
Und daß man noch Vernunft nebst kluger Einsicht liebt;
Du weist daß viele noch den Werth zu schätzen wissen,
Und noch den Liederrest verstäubter Musen küssen.
Du siehst wie hoch man noch bey der gelehrten Welt,
Das was von Göttern stammt, das edle Dichten hält,
Und wie ein Weiser es auch sterbend noch verehret,
Weil ihm Apollo selbst die Sinnen aufgekläret,
Schaut den John Underwood in seinem Sarg noch an,
Der sein gesenktes Haupt nicht sanfter legen kann,
Als bloß auf den Horaz; den macht er sich zum Küssen
Weil ihn ein früher Tod ihm aus der Hand gerissen.
An Grabelieder statt, und vor der Glocken Klang
Erwehlt der Sterbende den lieblichen Gesang
Von dieses Dichters Kunst, den, weil er es befohlen,
Sechs Freunde bey der Gruft durch Singen wiederholen.
Ihr lacht vielleicht dabey? wir nicht; denn wer die Kraft
Der unvergleichlichen und hohen Wissenschaft
Einmal empfunden hat, der wird, wenn andre lachen,
Aus diesem Musenfreund leicht kein Gespötte machen.
Verstäubter Flaccus, auf! o hebe deinen Kopf
Aus deiner tiefen Gruft; verlaß den Aschentopf,
[285]
Und sieh, wie dieser Freund dich mit Bestand verehret,
Und deiner Liederklang im Sarg noch gerne höret.
Man preist dich immer noch in unsrer Musen Chor,
Und gönnet deinem Ton stets ein geneigtes Ohr.
Dein lautes Seitenspiel und deine schönen Schriften,
Die müssen dir fürwahr ein ewig Denkmal stiften.
Kommt, kluge Geister! kommt, die ihr Begierde spürt,
Von edlem Trieb entflammt, der Musen Flöthe rührt,
Und euch den Pindus habt zur Wohnung auserkohren,
Verlacht der Feinde Schwarm; scheut nicht dergleichen Thoren.
Ihr Lästern schadet euch bey klugen Leuten nicht,
Weil der so euch recht kennt, von euch geneigter spricht.
Verdopplet Fleiß und Müh, bestrebet euch zu singen
Und laßt der Seiten Ton nunmehr recht männlich klingen;
Ihr seht ja, daß die Kunst bey wahren Kennern gilt;
Bemüht euch vom Horaz ein wahres Ebenbild,
Wofern ihr könnt, zu seyn; so wird euch einst auf Erden
Dergleichen grosser Ruhm, als ihm zu theile werden.
Stimmt nur die Cyther rein, und zieht die Wirbel auf,
Und laßt dem starken Zug der Ehrbegierde Lauf,
So muß der Nachklang auch in Weiser Ohren bleiben,
Der Narren Schellenklang kann ihn nicht übertäuben.

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TextGrid Repository (2012). Ziegler, Christiana Mariana von. Gedichte. Gedichte. Vermischte Gedichte. 15. Gedichte. 15. Gedichte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B30A-9