74. In der Gemeine Namen

1728.


O Du Seelen-Bräutigam!
Solten Seelen, die Dich nennen,
Die Dich kennen,
Folgen einem andern Stern?
Das sey fern!
Das Geschöpf ist viel zu wenig,
Unser Geist begehrt den König,
Und die Seelen sind des Herrn.
Ist ein Mann nicht liebens-werth,
Der uns über andre zehlet,
Auserwehlet,
Und ein täglich Zeugnis übt,
Daß Er liebt?
Fordert solch ein Weib nicht Liebe,
Die aus ungezwungnem Triebe
Sich uns zur Gehülfin giebt?
Jesus ist der Seelen-Mann,
Dieses bleibt in Gottes Klarheit
Eine Wahrheit;
Aber bey der Creatur
Ist die Spur
Sämtlich und zu gleichen Theilen
Seiner Ehe nachzueilen.
Von derselben lallt man nur.
[206]
Sind wir nicht so Fleisch als Geist?
Ist das Fleisch gleich überwunden,
Und gebunden,
Wird nicht dennoch seine Art
Offenbart,
In vermengeten Geschäften?
Ob man sich mit Geistes-Kräften
Noch so ritterlich verwahrt.
Menschen sind wol auf die Welt
Hingesetzt, sie anzuschauen.
Und zu bauen,
Nicht allein durch Müh und Fleiß,
Angst und Schweiß,
Sondern auch bey guten Tagen,
Da man nichts von Noth zu sagen
Sondern sich zu freuen weiß.
Christen aber sind nicht hier,
Daß sie sich daselbst erfreuen,
Und gedeyhen;
Ihr Beruf heißt: Jesu nach,
Durch die Schmach,
Durchs Gedräng von aus und innen
Das Geraume zu gewinnen,
Dessen Pforte Jesus brach.
Kinder stammlen nur davon,
Wenn ihr Herz zu Gott erhoben:
Aber Proben,
Warten auf die Jünglings-Kraft,
Die sich rafft,
Ihre Feinde zu zerschmeissen,
Und durchs Lager hinzureissen,
Bis zur theuren Vaterschaft.
Mein Erlöser! kennest Du,
Kennst Du diese armen Sünder?
[207]
Deine Kinder
Lieben sie ganz brüderlich,
Gleich als sich.
Wilt Du Deinen Gnaden-Segen
Nicht auf ihre Ehe legen?
Gnaden-Strom errege dich!
Dein sind Bräutigam und Braut.
Deine Lieb ist unermeßlich,
Sind sie häßlich
In der alten Creatur:
Deine Cur,
Die mit ihnen vorgegangen,
Machet sie als Bilder prangen,
Von der Göttlichen Natur.
Du bist ewiglich ihr Mann:
Und sie beide sind zum Streite
Nur auf heute
Und ein kurzes Nun gedingt,
Da man ringt,
Sich im Glauben anzufassen,
Und nicht eher los zu lassen,
Bis es einem Theil gelingt.
Gehe hin, du liebes Paar,
Werde stark in Jesu Gnade;
Eure Grade
Nehmen unversehens zu,
Bis zur Ruh.
Und in eurer Eh erscheine
Christi Bild und der Gemeine,
Herr, wir segnen; mache Du!
[208]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Teutsche Gedichte. 74. In der Gemeine Namen. 74. In der Gemeine Namen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B6E1-D