[1917] 2034. Augspurgisches Confessions-Lied 1

Mel. Christi blut und gerechtigkeit.

Der Erste Articul

1.

Ich glaube, daß ins himmels thron ein einig göttlich wesen wohn: das wird genennt, wie sichs beschreibt, und ist wahrhaftig GOTT: und bleibt.

2.

Gleich mächtig in gleich ewgen thron; Gott unser Vater, Gott der Sohn, und Gott der werthe Heilige Geist: das drey's ein göttlich wesen heißt.

3.

Auch ist es ewig ohne theil, unmeßlich, mächtig, alleweil von unermeßlicher weisheit und unergründlicher gütigkeit.

4.

Ein schöpfer und erhalter gar der sichtbarn ding und unsichtbar. Und durch das wort person versteht kein stük, das aus einander geht.

5.

Noch eine eigenschaft und art, die sich verschiedlich offenbart, die kirche mit person versteht, etwas, das für sich selbst besteht.


Gebet.


Du heilige Dreyeinigkeit, Vater! mit dir in deinem streit, Gott Heilger Geist! in dein'm geleit geh ich mit Gott dem Sohn beyseit.

Art. 2.

1.

Ich glaube, daß nach Adams fall die menschen alle überall, der vater, mutter und das kind von natur nichts als sünde sind.

2.

Sie sind von mutterleibe wol der bösen neigungen so voll, hingegen ist der glaub an Gott und die gottesfurcht alle todt.

3.

Wir können auch nicht anders seyn, von natur ist kein herze rein, und die natur-sucht, die sich findt, ist wahrhaftiglich eine sünd.

4.

Verdammet unter Gottes zorn; und so geht ewiglich verlorn, was nicht ein neu geschöpfe heißt aus wasser und dem Heilgen Geist.

5.

Die natur ist gewiß nicht fromm, und was aus eignen kräften komm, ist, an statt daß es tugend sey, selbst-betrug oder heucheley.

6.

Die eigne kraft, so gut sie ist, ist dem verdienst von Jesu Christ, und der marter, die er ausstand, eine giftige schmach und schand.


Gebet.


Ich empfehl meiner seelen heil des Lämmleins seiner wund und beul, die mir die neugeburt erwarb, als das liebe herz für mich starb.

[1918]

Art. 3.

1.

Ich glaub, daß Gott der Herr der Sohn ein mensch geworden ist so frohn, geboren aus der reinen magd, ders Gabriel hat angesagt.

2.

Ich glaube, daß die zwey naturn, die eingeborn' und angeborn', weil sie unzertrennlich vereint, eine person, ein Christus seynd.

3.

Der ist wahr mensch und wahrer Gott, geborn ein kindlein ohne spott, gelitten und gecreuziget, gestorben und beerdiget.

4.

Daß er ein opfer werden möcht, sowol für die erb-sünde schlecht, als für alle wirkliche sünd, und Gottes seinen zorn versühnt.

5.

Auch, daß derselbe Christus frey zur höll hinabgestiegen sey, am dritten tage wohl bekant vom tode wahrlich auferstand.

6.

Und daß er drauf gen himmel kam, sein'n sitz zur rechten Gottes nahm, daß er die ganze creatur ewig beherrsche und regier;

7.

Daß er alles, was gläubig heißt, durch seinen lieben Heilgen Geist selbst heilige und reine mach, stärk und tröst. Das ist seine sach.

8.

Daß er ihnen leben und heil, gaben und güter gnug austheil; und wieder der sünde ihren trutz sie nehm in seinen schirm und schutz.

9.

Daß derselbe Herr Christus fromm endlich öffentlich wiederkomm, zu richten lebendig' und todt'.

Gebet.


Amen! walts lieber Herze Gott.

Art. 4.

1.

Ich glaube, daß kein menschenkind weder vergebung seiner sünd noch gerechtigkeit vor Gott krigt durch eigen verdienst oder pflicht,

2.

Werk oder satisfaction, sondern die absolution und vor Gott gerechtwerdung hat um Jesu Christi will'n, aus gnad,

3.

Durch glauben; und den glauben zwar, dem Christi tod und leiden klar, und die vergebung seiner sünd und gerechtigkeit daselbst findt,

4.

Ders ewge leben so empfängt, lieber Gott' als von dir geschenkt: glaub ist es, den du rechnen wilt als gerechtigkeit, die vor dir gilt.

5.

Selig werden ist eine kunst, und besteht nur im wort umsunst.

Gebet.


Hab dank, mein lieber Herr Jesu Christ! dems Erwerben saur worden ist.

Art. 5.

1.

Und dieweil doch kein menschenkind den glaubens-weg aus sich erfindt, so hat Gott ein besonder amt zu dieser predig anberahmt,

[1919] 2.

Die man das Evangelium nennt; dazu kommen die saerament: durch welche mittel ihms beliebt, daß er den Heiligen Geist gibt.

3.

Den glauben also wirket Der in dem menschen beym angehör des lieben evangelii, wo, und wenn er will ie und ie.

4.

Das ist das evangelium, welches uns lehret das Warum, daß man einen gnädgen Gott hat, ist Christi verdienst nicht unsre that.

5.

Und daß das auch geglaube sey. Wir wiedersprechen also frey eigner b'reitung, gedank und rath, ohn des leiblichen worts zuthat.


Gebet.


Sey ewig gelobt und gepreist, du unser lieber Gott Heilger Geist! daß du einmal mit uns geredt. Was wärs, wenn man das wort nicht hätt!

Art. 6.

1.

Ich glaube, daß der glaub, was gläubt, zu guten früchten und werken treibt, daß es zu Gotts gebot allerley um Gottes willen willig sey.

2.

Beym guts thun aber ist zu schaun, daß wir ja nicht darauf vertraun, als etwas, das gnade verdient, oder vergebung unsrer sünd.

3.

Weil wir ums Heilands willn empfahn gerechtigkeit, und was wir han, sind untüchtge knecht, wie er sagt, wenn wir das alles recht gemacht.

4.

Die Väter lehrn einhelliglich, und Ambrosius sonderlich, daß es von Gott beschlossen ist, wenn du gläubig an Christum bist,

5.

Daß du alsdann sollst selig seyn, und zwar durch den glauben allein; ohn eigne werke und verdienst vergebung der sünden gewinnst.


Gebet.


Herzlich gern, lieber Herre Gott' gib gnad zu dem leichten gebot, ein gut und selig kind zu seyn; lohns wollen wir uns gern verzeihn.

Art. 7.

1.

Ich glaube auch zu aller zeit, eine heilige Christenheit, eine versamlung deß, was da gläubt, eine kirche, die ist und bleibt.

2.

Bey Der wirds evangelium rein gepredigt, und nach der summ, die das evangelium zeigt, die sacramente dargereicht.

3.

Denn das ist gnug in dieser zeit zu einer wahren einigkeit der Christlichen kirch, daß man sich zu diesem hält einträchtiglich;

4.

Daß man nach reinestem verstand das evangelium mach bekant, und nach des wortes wahren sinn die sacramente gebe hin.

5.

Und ist der lieben Christenheit nicht noth zur wahren einigkeit, [1920] daß sich die ceremonien von menschen gemacht, ähnlich seyn.

6.

Sanct Paul will, daß Ein geist und leib und Eine hoffnung der ruffs bleib, wie ihr beruffen seyd darauf, Ein Herr, Ein glaube, Eine tauff.


Gebet.


O lieber behülfsamer Herr! wie geht dein treu herz doch so ferr, nachgebend in der art zu seyn, wenn du nur krigst die schäfelein.

Art. 8.

1.

Item: Wiewol die Chistenheit eigentlich anders nichts bedeut, als die versamlung ins gemein der'r, die gläubig und heilig seyn:

2.

Jedoch, dieweil in dieser zeit heuchler und falsche Christen-leut, auch was öffentlich sünden treibt, noch unterm frommen häuflein bleibt;

3.

So sind die sacramente doch eben so gut und kräftig noch, der priester, welcher sie verricht, sey gleich fromm oder tauge nicht.

4.

Darum sagt Christus seiner schul, daß auf des Mosts seinem stuhl mehr als Ein Pharisäer ist. Und also irrt der Donatist.


Gebet.


Lieber Herr! wenn ich mich bedeut, wie wenig du zu deiner zeit untersucht, wer bey dir amtirt, so hab ich ausgecritisirt.

Art. 9.

1.

Von der Tauffe bekennt man frey, daß sie wahrlich nothwendig sey, weil Gott dadurch seine gnad den sündern angeboten hat:

2.

Daß wir darum die kinderlein in den tod Jesu tauchen ein; die werden dem Herrn zugestellt, dem ein kindlein dadurch gefällt.

3.

Derhalben irren alle die, die von der Kinder-tauffe hie sich äusern einer solchen lehr, als ob dieselbe unrecht wär.


Gebet.


Ihr heilge drey Personen taufft, was des Lammes person getaufft mit seinem eignen blut so roth, taucht die kindlein in Jesu tod.

Art. 10.

1.

Vom heilgen Abendmahl des Herrn lehrt man bey uns, und glaubets gern, daß unter dem brot und dem wein der wahr' leib und blut Jesu seyn.

2.

Im Nachtmahl gegenwärtig seyn gegeben und genommen ein; daß die lehre bey uns nicht gelt', dies nur für blosse zeichen hält.


Gebet.


Gott sey gelobet und gepreist, der uns zusammen tränkt und speist mit seinem fleisch und seinem blut. Deß gib uns, Herre Gott! zu gut.

[1921]

Art. 11.

1.

Von der Beichte wird so gelehrt, daß sie sich in der kirch gehört. Privata absolutio bleibet in ihrem brauche so.

2.

Den erhalt't, und laßt ihn nicht falln; daß man sich aber der sünd'n all'n zu erinnern den kopf zerbricht, ist eine unnöthige pflicht.

3.

Zumalen es nicht möglich ist, daß man alle gebrechen wüßt; wie man mit so viel worten sieht in dem neunzehnden Psalmen-lied.


Gebet.


Ach lieber Gott! wie gerne säh ein kind, dems um die gnade weh, wenn sein herz nur ein fenster hätt'; weil sichs selber nie gnug gesteht.

Art. 12.

Eingang.


1.

(Wer sich nach seiner tauffe-bad wieder in koth gewelzet hat, der solte als ein schwein und hund aus der thüre hinaus zur stund,

2.

Wies Sanct Peter beschrieben hat; aber ein hündlein, das aus gnad zum schäflein Christi worden ist, sucht der wolf auf, damit ers frißt.

3.

Wenn nun das schäflein voller noth über dem jämmerlichen tod, den es vor seinen augen sieht, grade zu auf den hirten flieht;

4.

So ist der hirte gleich bewegt, und den knechten ist auferlegt, daß keiner ein erschrektes Lamm von sich stoß, oder es verdamm'.

5.

Denn ein schaaf hat zu aller zeit zur wiederkehr ein frey geleit.) Ein bußfertiges armes kind, wenn es kömt, krigts ablaß der sünd.


Text.


6.

Wißt, daß die so genannte buß aufs eigentlichste das seyn muß, über die sünde reu und leid, erschrekken und verlegenheit;

7.

Und daß man nichts minder darum gläubt an das evangelium und an die absolution, daß die sünde vergeben schon.

8.

Weil bereits durch Herrn Jesum Christ die genade erworben ist; der glaube tröstet dann das herz, und befriedigts in seinem schmerz.

9.

Drauf wird die besserung erreicht: man läßt von sünden ab, und zeigt, was Johannes begehrete, rechte früchte metaniæ.

10.

Hie wiederlegt man die aufs best, welche lehren, wer fromm gewest, der könne sein tage nicht falln. (Sant Petrus ist ihnen entfalln.)

11.

Auch irren, die es so gestellt, daß, wer nach seiner tauffe fällt, kein absolution krigen kan. (Wo bleibt doch der Corinthsche mann?)

12.

Auch irren, die es auf den fuß nehmen mit dem wort von der buß, aufs büssen und gnug-thun [1922] zu führn, nicht aufs glauben beym absolvirn.


Gebet.


Liebes mutter-herz, Heilger Geist! wenn du nicht kämst und hülfe leist'st wieders elend, das in mir liegt, ich trau mir keine stunde nicht:

Aber derselbe treue mann, dem blutger schweiß von wangen rann, erbüßt' meinem herzen eine wach, und gnad, wenn ich was unrecht mach'.

Art. 13.

1.

Von der Sacramenten gebrauch gläubt das volk, und man lehrets auch, daß das nicht nur zeichen bedeut', dran man die Christen unterscheid't;

2.

Sondern daß es so zeichen seyn, daran man klärlich siehet ein, wie Gott für uns gesinnet ist, und gleichsam so sein herze list.

3.

Dadurch der glaub und zuversicht in uns mächtig wird aufgericht, und wenn man mangel daran merkt, auf das neue werden gestärkt.

4.

Auch fordern sie den glauben so, daß man ihrer gar nicht wird froh, noch sie rechtmäßig brauchen kan, man habe denn glauben daran.


Gebet.


Nun bitten wir den Heilgen Geist um den glauben, der sich beweist bey dem gebrauch der sacrament, ohn den man sie nicht nutzen könt.

Art. 14.

1.

Weil Gott ein Gott der ordnung ist, so ist es ausser allem zwist, daß er beym Kirch-regimine nicht weniger auf ordnung seh.

2.

Daher nicht iederman sogleich predig, und sacrament verreich, eh er zu diesem amt und pflicht den beruff von der kirche krigt.


Gebet.


Herr der erndte! schik leute aus, die in deinem weinberg und haus so voller guten willen seyn, daß man sich traut, sie dir zu weyhn.

Art. 15.

1.

Was Kirchen-Verfassungen seyn von menschen gemacht gut und fein, die das gewissen nicht beschwern, die hält man denn billig in ehrn.

2.

Wenn sie auch nur zur ordnung seyn und zum frieden bey der Gemein, Fest- oder Sonn- und Feyertag, und was von der art sonst seyn mag.

3.

Doch geschicht unterricht dabey, daß mans gewissen nicht bedräu, als wenn solch ding zur seligkeit von ciniger nothwendigkeit.

[1923] 4.

Spricht iemand von Tradision und menschen-satzung in dem thon, als wärn sie, daß man Gott versühn oder seine gnad verdien,

5.

Von dieser stellung lehrt man so, daß sie dem evangelio und dem glauben an Jesum Christ ganz directe zuwieder ist.


Gebet.


Lieber Vater sey hoch gepreist, daß du uns nicht mehr so beschleußst als zur Jüdischen tempel-zeit; sondern gibst haushalter-freyheit.

Wenn nun dergleichen weise seyn, zu besorgung der Creuz-Gemein, wie ein grosses ding ists ey, ey! gib wenigstens haushalter-treu.

Art. 16.

1.

Von Policey und übrigen Verfassungen der weltlichen Ober- und Unter-Obrigkeit glauben und lehren unsre leut:

2.

Daß Gott all Obrigkeit der welt, welche das regiment bestellt, gute gesetz und ordnung gab, geschaffen und gesetzet hab.

3.

Daß auch würkliche Christen-leut Fürsten, Richter und Obrigkeit seyn können, und thun auch ihr amt, und werden darum nicht verdammt.

4.

Sie können auch nach dem innhalt der verfasseten neu und alt- allgemein und besondern recht entscheiden allerley gefecht;

5.

Das schwert auch nicht vergeblich führn; die übelthäter condemnirn; und in einem gerechten krieg den lieben Gott bitten um sieg.

6.

Wer kaufft und verkaufft diese zeit, thut einen aufgelegten eyd, hat was eignes, und weib und kind, thut an dem allen keine sünd.

7.

(Und daß man dabey nicht argwohn, als wenn unsre Confession dem lieben Heiland wiederspricht, was er zu seinen jüngern spricht;

8.

So merkt, daß alle solche leut, die die jüngerschaft auch noch heut, wie Doctor Luther selber singt, um leib und weib und kinder bringt.)

9.

Und wem in vorbesagtem stük sonst allerley noch geht zurük, das zehlen zur umständigkeit, aber nicht zur vollkommenheit.

10.

Denn die vollkommenheit allein im glauben wird zu suchen seyn, der die ehrfurcht und den respect vor unsern lieben GOTT erwekt.

11.

Denns evangelium treibt nie auf äusserlich zeitlich ding hie; sondern das evangelium hat innerlichs zum punct und summ,

12.

Ewig wesen, gerechtigkeit in des herzens verborgenheit; und stößt nicht um die Policey, läßt Regiment und Ehe frey.

13.

Hats für Gottes ordnung erkant; und gibt dabey nur an die hand, daß ieder christlich lieb und fleiß nach seinem beruff drinn erweis.

[1924] 14.

Derhalben soll die Christ-Gemein der Obrigkeit ergeben seyn, und auch von herzen unterthan, thun, was sie gerne hätt' gethan.

15.

Versteht sich, daß sie uns nichts sag, was ohn sünd nicht geschehen mag: denn da gehorcht man freylich Gott mehr als aller menschen gebot.


Gebet.


Weil du selber, Herr Jesu Christ! ein guter bürger gewesen bist; gib, daß bürger- und jünger-pflicht sich einander nie wiederspricht.

Art. 17.

1.

Ich glaube, daß zukünftig ist, daß mein lieber Herr Jesus Christ am jüngsten tag kömt zum gericht, läßt keinen todt'n im grabe nicht.

2.

Die auserwehlt und gläubig seyn, die gehn ins ewge leben ein, und geniessen ohn alles leid eine unaufhörliche freud;

3.

Die aber bös und gottlos seyn und die teuffel gehn in die pein, und werden als räudige schaaf in der höll leiden ewge straff.

4.

Wir verwerfen auch, daß man lehrt, daß wer also zur hölken fährt, es mag mensch oder teuffel seyn, nicht hab ewige quaal und pein.

5.

Auch ists ein schwärmerischer sätz, hat nur bey Jüd'sch-gesinnten platz, daß man beym ersten auferstehn ein solches weltlich reich wird sehn,

6.

Da die heilige fromme leut mit grosser überlegenheit auf ihre part regieren woll'n, und die bösen vertilgen soll'n.


Gebet.


Reins, was Jesum im herzen hat, gibt dergleichen gedanken statt, dem bleibts mitten im Tausendjahr, wies vierzig tag nach Ostern war.

Art. 18.

1.

Vom freyen Willen wird gelehrt, daß der mensch, wie man sieht und hört, etlicher massen in der that noch einen freyen willen hat:

2.

Er kan äusserlich ehrbar seyn, er kan ihm wehlen eins aus zweyn, in so weit ein ding wird erkant durch einen gesunden verstand,

3.

Und doch ohne hülf und genad des Heilgen Geists und sein zuthat vermag der mensch nicht Gott gefalln, fürchten, lieben, vertraun in all'n,

4.

Noch auswerfen aus seiner brust die angeborne böse lust; sondern solchs geschicht und mag seyn durch den Heiligen Geist allein,

5.

Der geben ist durch Gottes wort. Denn Paulus spricht an einem ort, daß nichts vom Geiste Gottes kan vernehmen der natürlich mann.

[1925] 6.

Und damit man erkennen mag, daß ich hier gar nichts neues sag, hört Augustini klaren spruch vom freyen Will'n in einem buch:

7.

»Wir bekennen, (sagt er hievon im dritten Hypognosticon) daß ein solcher wille, der frey, in einem ieden menschen sey:

8.

Denn sie haben doch alle itz natürlich angebornen wiß, und ein' vernunft, die freylich nicht mit GOTT zu handeln etwas tügt.

9.

Sie könn'n GOTT nicht von grund der seeln fürchten und liebn, doch könn'n sie wehln guts oder böses vor der hand in des äussern lebens umstand,

10.

Das gute, was natur verricht, arbeiten oder aber nicht, essen, trinken, zum nachbar schaun, was an-und ausziehn, freyn und baun,

11.

Ein handwerk treiben, und so was nützlichs und guts verrichten; daß ohne Gott nichts ist noch besteht, sondern aus und durch ihn erst geht.

12.

So hat der mensch die wahl auch frey, was böses zu thun allerley: daß er einen abgott verehr', iemand tödt', und dergleichen mehr.«


Gebet.


Gott lob! daß ich von herzen kan wolllen, was du gern hättst gethan; doch, damit ich sonst nichts verricht, lieber Gott! trau mein'm willen nicht.

Art. 19.

1.

Von Ursach der Sünd ist die lehr: Wiewol Gott der allmächtge Herr erschaffen hat die ganz natur, und erhält alle creatur;

2.

So hat der verkehrte will doch macht, bey einem bösen, der Gott veracht't, zu wirken sündliche gelüst, wie denn des teuffels wille ist;

3.

Welcher alsbald daß Gott die hand von ihm that, sich von ihm gewandt, und zum argen, wie Christus zeugt, daß er aus seinem eignen leugt.


Gebet.


So mag der teuffel und was sein, seines willens leben allein; ich geb meinen willen und stand in des vormunds der thoren hand.

Art. 20.

1.

Nachdem das evangelium regiert, sagt man nicht mehr so dumm, daß die werke genug allein vor Gott gerecht zu werden, seyn.

2.

Man spricht, der glaub und werk zugleich macht uns gerecht zum himmelreich, welche rede mehr trostes bring, als wenn man blos auf werke dring.

[1926] 3.

Dieweil aber die glaubens-lehr, die das hauptstük beym Christen-heer, lange nicht recht getrieben war, so war das unsrer väter lahr:

4.

Zuerst, daß unsrer werke keins uns mit Gott wieder machet eins, gnad erwerbe oder ablaß; sondern der glaube thue das.

5.

Wenn man glaubt, daß um Christus willn Gottes zorn alleine zu stilln, der allein mittler zwischen Gott und uns ist in der sünden-noth.

6.

Ob iemand meinen möcht, er künn' das durch werk thun, und gnad verdien'n; sucht wieders evangelium ein'n weg zu Gott, veracht Christum.

7.

Die lehr vom glauben offennbar treibt Paulus an viel orten klar, Epheser zwey vers achte steht: Denn aus gnaden seyd ihr errett,

8.

Nur durch den glauben, und das noch nicht aus euch selbst, Gotts gab ists doch, nicht aus den werken, daß sich ja nicht iemand rühmen möchte da.

9.

Und daß hierin kein neuer sinn wird eingeführt, zeigt Augustin, der die sache gar oft tractirt und da's auch so befunden wird.

10.

Nicht werk, der glaub an Christum schlecht bringt gnad und macht vor Gott gerecht; so stehts in seinem buche da de Spiritu & Littera.

11.

Wiewol die lehr verachtung leidt, wenn sie hörn unversuchte leut, so find't sich, das sie denen blöd-erschroknen herzen gern eingeht.

12.

Das gewissen sucht fried und ruh; durch werke kömt es nicht dazu, wenns aber glaubt, was Gott verheißt, und bey sich selbst gewißlich schleußt:

13.

Es hab um Jesu Christi willn einen gnädgen Gott, so kan sichs stilln; sind wir im glaub'n gerecht geacht, so han wir fried mit Gott gemacht.

14.

Sanct Paul sagt seinen Römern das. Diesen trost trieb man in dem maß vorzeiten in der predig nicht; man hats die gewissen so bericht,

15.

Es komm auf eigne werke an; drum hat man deren viel gethan, den hat die angst ins closter jagt, den andern mit sonst was geplagt.

16.

Ein ieder suchte gnad und ruh, und wie er für die sünd gnug thu; allein es haben dieser viel erfahrn, daß das nicht helfen will.

17.

Darum es noth geworden ist zu lehrn den glaub'n an Jesum Christ, damit man weiß, daß der allein Gotts gnade ohn verdienst nimt ein.

18.

Zu merken, daß auch unterricht desselben glaubens halb geschicht, der beym teuffel aus wissenschaft, und beyn bösen aus leichtsinn haft't,

19.

Daß man die Passions-geschicht schon so glaubt, und nicht wiedersicht, und daß Christus aus todes-band etwan auch wieder auferstand.

[1927] 20.

Sondern das ist ein gläubger Christ, dem es wahrheit und Amen ist, daß er vergebung seiner sünd und die gnade bey Christo find.

21.

Und welcher nun Christo zum preis, so viel vom lieben Gotte weiß, daß er sey sein gnädiger Gott, den er anrufft in aller noth;

22.

Der nicht mehr wie die Heiden-schaar lebt ohne Gott, dieweil fürwahr weder Satan noch Atheist an Den articul gläubig ist,

23.

Erlaß der sünd ist ihnen spott, drum hassen sie den lieben Gott, hoffen nichts gutes von dem Mann, ruffen ihn darum auch nicht an.

24.

Und wie itzt angezeiget war, redet die Schrift vom glauben gar, sie heißt ihn kein solch wissen nicht der teuffel und der bösewicht.

25.

Die epistel an die Ebrä'r spricht so: Der rechte glaube wär eine hoffnung und zuversicht auf Gottes zusage gericht't.

26.

Und Augustinus merkt auch an, das durchs wort Glauben zu verstahn die zuversicht zu Gottes gnad, daß man ein'n gnädigen Herrn hat;

27.

Nicht wie der teuffel und Satanas, der sich tod und hölle dran fraß, als es ihm in die hände kam, zu glauben die historiam.

28.

Man lehret ferner überein, gute werk solln und müssen seyn, nicht aber, daß man drauf vertrau, und Gottes gnade darauf bau,

29.

Sondern was man thut und thun kan, wird Gott zu lieb und lob gethan, die vergebung der sünde dann nimt doch der glaub aus gnaden an.

30.

Wenn durch den glaub'n an Jesum Christ der Heilge Geist gegeben ist; so wird auch das herze bequem, zu thun was dem Herrn angenehm.

31.

Denn zuvor ohne Heilgen Geist ist es zu schwach, daß es das leist, weils in des teuffels gewalt bleibt, der die natur zum sündgen treibt.

32.

Dahero sah man ie und ie, daß die alten Philosophi, wenn sie sich unterstanden han, zu leben als ehrliche mann,

33.

Das doch nicht haben ausgericht't, sondern an statt der tugend-pflicht in grobe sünden fielen nein, die nicht verborgen blieben seyn.

34.

So muß es allen menschen gehn, die, ausser im glauben zu stehn, und ohn des Heilgen Geists regiern, sich durch eigne kraft wollen führn.

35.

Sagt nicht vom glauben, lieben leut, daß er die guten werk verbeut; rühmt ihn vielmehr, daß er sie nun erst recht lehrt, und sie auch hilft thun.

36.

Er zeigt auch, wie man dazu kömt; und daß ihrs desto baß vernehmt, merkts noch einmal, wo Jesus Christ, und wo der glaube noch nicht ist:

37.

Da ist die menschliche natur gar eine arme creatur, zu guten werken viel zu schlecht; sie kan weder nicht beten recht;

[1928] 38.

Im beruff häufft sie schuld auf schuld, im leiden fehlt es an gedult, am gehorsam, ans nächsten lieb, an sieg wieder der lust betrieb.

39.

Solche hohe und rechte werk geschehen allein in JESU stärk; wie er Johannis funfzehn spricht: »Ohn mich was thun das könt ihr nicht.«


Gebet.


Aber mit dir, herzlieber GOTT! thaten thun ist gleichwol kein spott. Ich halts mit dem, ders mit dir hält, wieder teufel und sünd und welt.

Art. 21.

1.

Was etwa den dienst anbetrifft, den man den Heilgen hat gestift, so lehret man bey uns gar wohl, daß man der Heilgen denken soll;

2.

Auf daß es unsern glauben stärkt, was wir an ihnen angemerkt, wie sich die gnad an sie gemacht, wie sie der glaube durchgebracht;

3.

Dazu daß man in dem beruff, dazu einen der Heilend schuff, ihrem vorbild bis diesen tag selig und göttlich folgen mag.

4.

Daß man sie aber angebet't, oder um hülfe angeredt, da sagt die Bibel nicht davon, die weist nur Einen gnaden-thron;

5.

Es ist ein einger mittler noth zwischen dem menschen und zwischen Gott, dazu ist Christus angestellt, der einige Heiland der welt.

6.

Der ist Hoherpriester allein und fürsprecher beym Vater sein; der hat alleine zugesagt, daß er hören will, wenn man klagt.

7.

Das ist der höchste gottesdienst, daß man dich, der du uns versühnst, anbet' und such in seiner noth,


Chor.


Herr Jesu Christ, wahr't mensch und Gott!

8.

Johannes hat verkündiget, daß ob ja iemand sündiget, daß denn beym Vater Jesus Christ und das wort zu reden da ist.


Gebet.


Dank' sey dem Evangelio! Wenn ich bete, so sprech ich so: Lieber Vater! was ich da mach, das ist dein's Sohnes seine sach.

Art. 22.

1.

Das ist die summa unsrer lahr, wie sie der Evangelschen schaar zu recht Christlichem unterricht und trost der seelen ward bericht.

2.

Auch zu der gläubgen besserung zweyhundert jahr her ihren schwung noch so ziemlich erhalten hat. Wir werden ihrer nimmer satt.

3.

Der Heilge Geist erhalt uns drinn bis der Heiland ist wieder hinn, und erklärs uns so lang und breit, als es noth thut der Christenheit.

Fußnoten

1 Aus dem Manuscript des Autoris.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. 2034. Augspurgisches Confessions-Lied. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-BB45-1