308. Kohlen werden Gold.

1.

Im ›Schwarzwasser‹, wie die Sude nach ihrer Vereinigung mit der Rögnitz und der Schaale heißt, fischten einmal Gothmanner Bauern mit ihren Knechten. Der eine Knecht will sich seine Pfeife anzünden; aber das Feuerzeug, das in seinem Kittel am Boden des Kahnes liegt, war naß geworden. Wie er rathlos um sich blickt, sieht er am Ufer ein kleines Feuer und meint, Hirtenknaben hätten es angelegt. Er fährt ans Land und sieht ein kleines Männchen am Feuer sitzen, das bei seinem Anblick entflieht, wiewohl der Knecht ihm zuruft, es solle doch bleiben. Er nimmt nun eine Kohle und legt sie auf die Pfeife; sie erlischt aber, er wirft sie unwillig weg und nimmt eine zweite. Erst die dritte gibt Feuer. Kaum ist er wieder in seinem Kahne, da brennt die Pfeife nicht mehr, aber die Kohle ist ein Goldstück geworden. Er eilt nun nochmals an den Ort, wo das Feuer gewesen, findet aber nichts als die zwei bei Seite geworfenen Kohlen, die ebenfalls zu Gold geworden sind.


Willers; vgl. Müllenhoff S. 356f.; Englien 21.

2.

Es war einmal vor Jahren, als ein Lapitzer Bauer, der aber nun schon sehr lange todt ist, von Penzlin heimkehrte. Er hatte dort mehrere Einkäufe gemacht, weil er ›Kindelbier‹ auszusteuern hatte. Dabei ward wohl etwas mehr getrunken, als dienlich ist, und weil nun auch der Abend ziemlich dunkel war, so verfehlte der Mann den rechten Weg und anstatt gerade aus nach Lapitz zu gehen, ging er rechts über den Grapenwerder Damm nach dem Grapenwerder. [237] Als er hier ankam, sah er ein Feuer brennen und bei demselben zwei Männer beschäftigt. ›Da kannst du dir mal schön deine Pfeife anbrennen,‹ dachte unser Bauer in seiner Einfalt, und weil er etwas wortkarg von Natur war, so trat er, ohne ein Wort zu sagen, näher, nahm sich ebenso stillschweigend eine Kohle und legte sie auf seine Pfeife. Als es mit der ersten Kohle nicht gehen wollte, eine zweite und mit derselben Seelenruhe eine dritte, vierte u.s.w. und warf die unbrauchbaren ebenso unverdrossen bei Seite. Zuletzt, als er sah, daß all' sein Bemühen vergeblich war, wollte er sich auf den Rückweg machen. Da winkte ihm aber einer der Männer und bedeutete ihm, seinen Quersack aufzuthun. Die beiden Männer schütteten ihm von den glühenden Kohlen soviel in seinen Quersack, als er nur irgend zu tragen vermochte. Damit machte er sich denn endlich auf den Weg nach Hause, wo er erst spät in der Nacht keuchend und in Schweiß gebadet anlangte. Hatte man auch wegen des langen Ausbleibens des Bauern daheim viel Angst ausgestanden, so war nun doch die Freude um so größer als er seinen Quersack ausschüttete und lauter blanke Goldstücke aus demselben auf den Tisch rollten. Am andern Morgen ganz frühe aber machten sich etliche von seinen Leuten auf, um an der bezeichneten Stelle nachzusehen, ob dort nicht noch mehr von dem edlen Metall zu finden wäre. Sie konnten jedoch nichts entdecken, nur fanden sie die Goldstücke, welche der Bauer am Abend vorher als unbrauchbare Kohlen bei Seite geworfen hatte. Von diesem Funde soll sich des erwähnten Bauern Reichthum, welcher mindestens in Lapitz sprichwörtlich war, herschreiben; und auch seine Nachkommen sind noch bis auf diesen Tag wohlhabende Leute.


A.C.F. Krohn in Penzlin bei Niederh. 3, 14ff.

3.

Ein Bauer aus Minzow kehrt etwas angetrunken Nachts von einer Hochzeit in Dambeck heim. Als er bei der alten Kirche vorbei gegen das Bruch kommt, sieht er ein Feuer und denkt, die Pferdejungen haben es angezündet und fortbrennen lassen. Er tritt zum Feuer heran, um seine Pfeife anzustecken. Er legt eine Kohle auf und, da sie nicht brennt, eine zweite; als auch diese nicht brennt, noch eine dritte. Als auch das umsonst ist, stößt er unwillig die glimmenden Kohlen mit dem einen Fuße auseinander. Dabei verliert er aber den Schuh von diesem Fuße. So geht [238] er weiter. Als er eben über einen Graben gehen will, kommt der Schuh mit gewaltigen Sätzen hinter ihm her, und weil er sich umsieht, verliert er das Gehör, so daß er zu Hause, als er von seinen Frauensleuten wegen seines späten Kommens ausgezankt wird, nichts davon hört. Inzwischen ist er nüchtern geworden und findet, daß die Kohle, welche er auf der Pfeife behalten hat, das schönste reinste Gold ist. Er besinnt sich, woher er sie genommen hat, spannt sogleich an und holt sich einen ganzen Sack der schönsten blanken Ducaten. Auch seine Taubheit hat er später genau nach einem Jahr, an demselben Tage und zur selben Stunde, wo er sie bekommen, wieder verloren.


Pastor Behm in Melz.


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TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. 308. Kohlen werden Gold. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-D5F9-C