332. Nächtliche Fahrt zu Reddelich.

Ungefähr vor 30 Jahren kamen etliche der Knechte zu Reddelich bei Doberan auf den Einfall, sich bei Nacht einen Wagen zu nehmen und damit die drei Kirchen zu Steffenshagen, Rethwisch und Doberan zu umfahren. Da ihnen nun ein ganzer Wagen zu schwer war, so trennten sie ihn und nahmen nur den vorderen Theil desselben. Sechs bis acht Knechte spannten sich davor, und ein Großjunge, der einen mit Stroh umwundenen Hut, woran zu beiden Seiten ein Horn emporragte, auf dem Kopfe hatte, bestieg den Wagen mit Peitsche und Leine in der Hand, und die Fahrt ging unter Toben und nachgeahmtem Pferdewiehern vor sich. In jeder Sonnabendnacht wiederholte sich dies und dauerte fast einen ganzen Sommer hindurch. Als sie einstmals ihre Reise bald beendet hatten und sich schon auf der Doberan-Kröpeliner Chaussée befanden, war auf einmal ein Fuhrwerk neben ihnen, ganz wie das ihre, nur daß bei jenem Alles schwarz war. Niemand wußte, woher es gekommen. Unsern Reiselustigen gefiel es eben nicht sonderlich in der Gesellschaft, ihr Toben und Wiehern war plötzlich verstummt; doch die Schwarzen zeigten sich gern bereit, es für sie mit erneuten Kräften aufzunehmen. Die Knechte hatten Lust, sich auszuspannen und den Wagen stehen zu lassen; doch sie waren wie festgebunden und mußten im vollen Trabe vorwärts, die Schwarzen stets neben sich. So gings fort, bis zu dem Wege, der zu Reddelich quer über die Chaussée führt, und Alles war wieder eben so schnell verschwunden, wie es gekommen war. Es war aber auch die höchste Zeit, denn die Fremden hatten sie immer näher an den Chausséegraben gedrängt und sie standen, als der Spuk verschwand, dicht an dem Graben. Sie ließen den Wagen stehen und liefen davon. Erst am andern Morgen in aller Frühe brachten sie Alles wieder an Ort und Stelle.


Seminarist W. Barten.

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TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg. Erster Band: Sagen und Märchen. Sagen. 332. Nächtliche Fahrt zu Reddelich. 332. Nächtliche Fahrt zu Reddelich. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-DB03-6