143. Mainacht.

1.

Eines Maitagabends saß ein Weber bis spät in die Nacht an seinem Webstuhle, während seine rothäugige Frau in der Ecke saß und spann. Er hatte versäumt, Thüren und Fenster mit schwarzen Kreuzen zu zeichnen, denn


›Witts, witts, witts,

Is vör nix,

Aewers schwart

Treckt an 't Hart.‹


Die Frau trieb an, zu Bette zu gehen. Der Weber ließ sich aber nicht stören. Plötzlich stand die Frau auf, langte eine Kruke mit einem Hexenbrei aus dem Schrank, salbte sich damit vor dem Herzen und murmelte:


›Quadpoggen, Elditzen un Padden,

Unken, Katten un Madden

Up un dorvan,

Na 'n Blocksbarg ran.‹

Und damit sauste sie auf dem Spinnrade fort. Auf einmal rief was zum Fenster hinein:

[122]

›Gun Abend, Fru Abenblank,

Wist du nich to Ringeldanz?‹

Das war eine Kröte, die die Katze, die hinterm Ofen saß, so anredete. Diese aber erwiderte:

›Schön Dank, Frölen Watersank,

Ik mag nich to Ringeldanz.‹

›Ach, ik mag ok nich,‹ sagte die Kröte, denn

›De Scharnwewer,

De Schmutzklewer,

Schull mi von Breitfaut,

Ik weit wo mi 't verdraut.‹


Da schlug es zwölf auf dem Kirchthurm, auf einmal flog der Webstuhl mit dem Weber zum Fenster hinaus und dem Blocksberg zu. Wie er hinkam, ging es lustig zu, es wurde gegessen und getrunken, Drachen schleppten die schönsten Sachen herbei. Es wurde dann getanzt, und der Weber, der viele Bekannte sah, aufgefordert, daran Theil zu nehmen. Es wurde ihm ein schönes Horn in die Hand gegeben, wie Gold glänzend, auf dem blies er gar wunderschön. Zuletzt legte er sich in ein prächtiges Himmelbett und schlief ein. Als er erwachte, sah er, daß er auf einem Pferdegerippe lag und einen Katzenschwanz statt des Hornes in der Hand hatte.


Lehrer Lübstorf in Raddenfort.

2.

Mainacht reiten die Hexen nach dem Blocksberg. So thaten sie auch aus einem Hause, schmierten Besenstiel und Mistgabel mit Schmeer aus einem Pott und setzten sich drauf, indem sie sagten:


›Up un dorvan

Un narens nich an.‹


Das hörte ein Mädchen im Hause und war neugierig, es auch zu versuchen. Sie machte es also wie die Hexen, aber weil sie unrichtig gehört hatte, sagte sie


›Up un an

Un allerwegt an.‹


Da ritt sie mit dem Besenstiel im ganzen Hause herum und stieß gegen alle Wände und Thüren und wie die Andern zurückkamen am Morgen, ritt sie noch immer im Hause herum.


Mündlich von einer Frau aus Parchim, durch Gymnasiast Behm; vgl. NS 67, 154; Müllenhoff S. 215.

3.

Dor sünd twee Knechts – den Urt æwer weet ik man nich, wo – de kamen Maidagnacht un willen weeten, ob in dat Dörp [123] ok wol Hexen wiren. Und dor harr en Bur twee Arw-Egen, un dormit trecken se so rund üm dat Dörp und laten blot den Weg fri, dor kœnen de Luder nich æwer. Dunn stellen se de Eg' uprecht hen un gan dor unner sitten. Dor kümmt en Kutschwagen antofüren, un dor sticht ne Dam rute, un de een Knecht lett den eenen Foot en bęten ruter, un dor fängt se an to pinkern, as wenn se 'n Nagel inslög, un fürt dunn wider – kennt hebben se ęr æwer nich. Min Knecht æwer, as de gan will, donn is he lahm, un et is em, as wenn he 'n Nagel in Foot harr, æwer dor an to seen is nix. Un dunn sprekt he mit klook Lüd' in 'n Dörp, un de raden em, he sall dat ganz ebenso in de nächst Maidagnacht maken, ob se sik denn nich æwer em erbarmen ded'. Un he deit dat ok, un dunn kümmt de Kutschwag' ok wedder an, un de Dam sticht ut, un hett in de Hand so wat as 'ne Kniptang, he kann dat æwer nich orntlich seen, un dor wart se em bi den Foot fummeln, un dor is dat, as wenn se em wat rut treckt, un he kann dunn wedder gan.


Arbeitsmann H. Peters in Sandhagen; aufgezeichnet von Pastor Dolberg.

4.

In einer Mainacht ging ein Bote von Sternberg nach Schwerin. Sein Weg führte ihn durch das Dorf Jülchendorf. Wer des Weges kundig ist, wird wissen, daß sich in der Nähe dieses Ortes ein Eichenholz befindet, und daß in demselben ein ziemlich hoher Berg liegt. Als der Bote in die Nähe dieses Berges kam, richtete er zufällig seine Augen nach dem Gipfel desselben. Hier gewahrte er eine große Menschenmenge, die, wie es schien, ein Saufgelage hatte; denn der Bote vernahm ein Gläsergeklirr, daß der Gipfel des Berges davon erschallte. Dem Boten wurde ganz unheimlich zu Muthe. Nachdem er einigermaßen sich von seinem ersten Schrecken erholt hatte, näherte er sich der Gruppe, um ihrem Treiben zuzuschauen. Was seine Aufmerksamkeit am meisten fesselte, war eine mächtige Riesengestalt, deren Stimme klang wie das Rollen des Donners. Wer beschreibt aber das Entsetzen des armen Boten, als es plötzlich durch die Eichen rauschte, und der Riese, den er noch soeben auf dem Berge gesehen, in seiner ganzen Größe vor ihm stand. Er glaubte nichts Andres, als daß seine letzte Stunde geschlagen habe. Nicht wenig wunderte er sich daher, als der Riese ihn statt dessen mit folgenden Worten anredete ›Alter, du bist hungrig und durstig, willst du mitessen und trinken, so [124] komm und sei nicht blöde.‹ So unangenehm ihm diese Einladung nun auch sein mochte, so mußte er doch gute Miene zum bösen Spiel machen. Ohne Zögern folgte er dem Riesen, und als sie oben angelangt waren, mußte unser Bote sogleich Platz nehmen. Vor ihm standen die schönsten Speisen und kleine daumenlange Wesen standen zu seiner Aufwartung vor ihm. Jetzt hatten sie ihn mit Allem versehen, und er brauchte nur zur Ausführung zu schreiten. Er erfaßte Messer und Gabel, aber, siehe da! er vermag es nicht zu heben, obgleich es nur die gewöhnliche Größe hatte. Das verdrießt ihn, und schon will er sich entfernen, da naht sich ihm ein altes, häßliches Weib, das, wie es ihm schien, in sein Dorf gehörte, und raunte ihm ins Ohr ›Der dir gegenübersitzt, hindert dich daran. Spei ihm ins Angesicht, und es wird dir gelingen.‹ Kaum aber hatte er es gethan, als ihn plötzlich ein Sturmwind erfaßte und den Berg hinunterwarf, daß seine Glieder fast zerschellt wären. Reisende, die an der Stelle vorüberzogen, fanden ihn und brachten ihn in die nächste Stadt, wo er lange krank lag.


Von einem Seminaristen in Neukloster; vgl. Meklenburg. Jahrbücher 5, 83 (Niederh. 3, 140).


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TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. 143. Mainacht. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-E26A-9