37. Christus-Legenden.

1.

Unser Herr Christus wollte 'mal über einen Bach, und bat das Pferd, es solle ihn hinüber tragen. Das aber sagte, es hätte nur 'ne kurze Mittagsstunde und wäre noch nicht satt. Da sagte der Herr Christus, so solle es den halben Tag fressen können und doch nicht dick werden. Darauf kam er zu einem Rinde und das fraß auch. Als er das bat, es solle ihn hinübertragen, da sagte es, es hätte wohl nur eine kurze Mittagsstunde, aber es wollte das doch gern thun. Da sagte er, so sollte es von nun an in einer Stunde sich dick fressen können. Darum kann man ein Pferd nicht in einem halben Tage dick füttern, aber ein Rind frißt sich in einer Stunde satt.

2.

Als der Herr Christus zum Richtplatz ging, schlossen die Juden ihre Kinder ein, damit sie sich nicht an ihm versehen und ihn [523] nicht bedauern sollten. Wie er aber vorbei kam, da wollten die Kinder heraus. Der Herr sprach ›Laßt die Kinder heraus!‹ Die Juden aber sagten ›Es sind keine Kinder, es sind Schweine.‹ Da sagte er noch einmal ›Lasset die Kinder heraus!‹ Aber die Juden sagten wieder ›Es sind keine Kinder, es sind Schweine.‹ Da sagte er ›Wenn es denn Schweine sind, so sollen es auch Schweine bleiben.‹ Als sie nun nachher die Kinder herauslassen wollten, waren es lauter Schweine.


Hans Stiegmann, nach Erzählung des Gutsdorfer Kuhhirten; mitgetheilt von Pastor Dolberg.

3.

Auf den Blättern des Teichrohrs findet man eine Stelle, die aussieht, als wenn Jemand hineingebissen hätte. Als unser Herr Christus, so erzählt man, in seiner Leidensnacht über den Bach Kidron gegangen ist, hat er vor Angst in ein Rohrblatt gebissen; daher ist auf jedem Rohrblatt der Einschnitt von drei Vorderzähnen.


Küster Schwarz in Bellin.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. 37. Christus-Legenden. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-F12E-5