336. Vom Drachen.

1.

Wenn Sternschnuppen fallen, glauben die Leute, es sei der ›Drak‹ (d.h. der Teufel), der bringe den bösen Leuten Geld.


Gymnasiast v. Oeynhausen aus Brahlsdorf.

2.

›De Drak trekt‹ oft des Abends. Das ist ein Thier, so lang wie ein Węsbom, mit blankem Kopf und feurigem Schwanz. Wenn man ihn nun ziehen sieht und sagt ›Süh dor!‹ so ist er wieder [256] weg. Er bringt manchen Leuten Geld, Korn etc., andern nimmt er was weg. Wenn man den Drachen durch den Schornstein in ein Haus hineinfahren sieht und man zieht dann einen ›Slarpen‹ (Pantoffel) an den verkehrten Fuß oder steckt ein Rad verkehrt an den Wagen, so kann der Drache nicht wieder heraus und verbrennt das Haus. Wenn er sich dann herausgebrannt hat, setzt er sich auf den Zaun und lacht sich was.


Gymnasiast Behm in Parchim; vgl. Müllenhoff S. 206 f.

3.

Wenn ›dei Drak‹ (d.h. der Teufel) des Abends ›trekt‹, bringt er seinen Kunden Lebensmittel und Geld durch den Schornstein ins Haus. Wenn man ihn ziehen sieht, muß man einen gewissen Theil des Körpers entblößen und ihm hinhalten; dann läßt er fallen, was er hat und das bekommt man. Man muß aber dabei unter Dach sein, sonst beschmutzt einen der ›Drak‹ mit seinem Unrath.


Küster Schwartz in Bellin. Auch Domänenpächter Behm in Nienhagen berichtet: Der Drache bringt den Leuten Schätze durch den Schornstein ins Haus. Vgl. NS. Nr. 4.

4.

Responsum von Bürgermeister und Rath in Wesenberg 1593: ›Obwol der Gefangener Zeit seiner angenommenen Burgschafft so viel nicht gehabt, daß er dieselbe mit baarem Gelde belegen und erstatten mügen, und izo so viel erworben, daß er ein Hauß erkaufft, und von einem Bürger berichtet, alß daß er gesehen, daß bey abendzeiten ein rother Dracke uff seinem Boden geflogen und darnacher so hart gefallen, daß er es in seinem Hause hören können; so seyd ihr jedoch ihn mit peinlicher Tortur, solcher angezogenen Bezichtigung halber, noch zur Zeit nicht zu belegen befugt; sondern, da mehr Leute, dan der einer Bürger den Dracken uf seinem Boden fliegen gesehen, und dieselben würden es wie recht, vermittelst cörperlichen Eydes bekennen und wahrsagen; uff den Fall erginge, uff solche eydliche Kundschafft und seine darauff gehörte Antwort, ferner was recht ist.‹


Selecta jurid. Rostoch. III, 50.

5.

Der ›Drak‹ ist ein entweder leuchtender oder dunkler Körper, der die Form eines Drachen mit langem Schweife hat. Er fliegt mit lautem Quiken über die Häuser. Wenn er leuchtet, bringt er Geld, wenn er dunkel ist, Ungeziefer.


Ihlefeld, Primaner in Wismar.

6.

Wenn der ›Drache‹ zieht und Jemand mit umgekehrten Rädern fährt, so stürzt sich der Drache in ein Haus und zündet es an; zuweilen bringt er aber auch Geld und Anderes.


Aus Lanken vom dortigen Pastor, durch Primaner H. Burmeister aus Gr.-Breesen.

[257] 7.

Dem alten Schön in Zierstorf erzählte Schmidt Müllers Vater, er habe als Pferdejunge in Hungerstorf bei einem Bauern gedient; da habe er mal Abends vor dem Thor gestanden und auf den Drachen aufgepaßt, da es geheißen, daß derselbe beim Bauern Tock einkehre. Da ist der Drache auch durch die Luft gekommen, ›de Fast‹ (der First des Strohdaches) hat sich aufgethan und er ist rasch hineingezogen.


Pogge in Pölitz.

8.

Der Drache bringt seinen Freunden Hab und Gut, während er es einem Andern wegnimmt. Beim Bauern Warkentin in Groß-Wokern ist er auch eingekehrt. Wie der Bauer seine Backbirnen verkauft, da sinds im Besitz des Andern lauter Mäuse geworden; seine Butter, die er verkauft hatte, wurde etwas, was sich gar nicht aussprechen läßt.


Schön in Zierstorf; durch Pogge in Pölitz.

9.

Die Alten erzählen, daß ›dei Drak trekt‹ hat; der hat ganz roth ausgesehen wie Feuer; wenn die Menschen aber davon gesprochen haben, ists weg gewesen.

Der alte Westphal in Pölitz hat oft vom Draken gehört; wenn er schwarz war, hat er den Leuten Geld durch den Schornstein zugetragen; wenn bunt, brachte er ihnen Lebensmittel.

Aus Pölitz, durch Pogge.

10.

Der alte 85jährige Schön in Zierstorf hat den Drachen mit Andern zusammen in Remplin gesehen, wie er wellenförmig in feuriger Weise durch die Luft zog.


Pölitz, durch Pogge.

11.

Mal kam der ›Drak‹ zum Krüger in Bellin bei Güstrow, wo er schon öfters gewesen war. Er sollte viel Geld bringen, denn des Krügers drei Söhne wollten auf eine Hochzeit gehen. Nu hat aber ja wohl der Drake nicht genug gebracht, denn er kriegte von den drei starken Kerls mächtige Prügel, daß die Leute im Dorf ihn ganz gräulich schreien hörten.


Gymnasiast Behm in Parchim.

12.

Es war mal 'ne Bauersfrau, der ihre Leute haben alle Sonntage in die Kirche gemußt, und wenn sie nach Haus gekommen sind, hats immer Kükensuppe gegeben. Das ist dem Knecht sehr auffällig gewesen, denn es waren doch nicht so viel Küken auf dem Hofe. So hat er sich eines Sonntags gestellt als ginge er in die Kirche, hat sich aber auf dem Boden ins Stroh versteckt. Wie die Bauersfrau nun glaubt, sie sind Alle fort, geht sie [258] nach der großen »Del' (Diehle, Vorplatz), hält die Schürze auf und ruft den ›Drak‹ und sagt ›Brings‹ nu man her!« Da kommt der ›Drak‹ und schüttet ihr die Schürze voll grüner Jägers (grüne Wasserfrösche), so daß noch welche vorbeifallen. Die Bauersfrau wäscht die grünen Jägers ab und thut sie in den Kessel ans Feuer. Mittags gab es davon die schönste Kükensuppe. Der Knecht hat aber nicht davon gegessen, sondern gesagt ›Das sind ja lauter grüne Jägers, ich habs gesehen, daß sie der Drak gebracht hat.‹


Küster Schwartz in Bellin, von einem Dienstmädchen aus Reimershagen, die es von ihrem Großvater hörte.

13.

In Malchin haben viele den Drachen durch die Luft ziehen sehen, groß wie ein Węsbaum, vorn mit einem ordentlichen dicken Kopf und mit einem langen Schwanz hinten. Auch bezeichnete man genau die Häuser, wo er den Leuten etwas zugetragen. Nun war mal Einer, der hatte gehört, wie man den Drachen zwingen könne, das fallen zu lassen, was er trage; da ging er hinaus, als der Drache gezogen kam, und zieht sich, mit Respect zu melden, die Hosen ab. Da hat der Drache seine Last in einen Brunnen fallen lassen, und als er nun hinging, um zu sehen, was es sei, war der Brunnen bis zum Rande mit Erbsen gefüllt. Die hat man dem Vieh als Futter vorgeworfen, es hat sie aber nicht fressen mögen.

Einen Andern, der nicht, wie man thun muß, unter Dach geblieben war, hat der Drache so beschmutzt, daß er den Gestank sein Lebtag nicht hat los werden können.

Aus Malchin bei Kuhn-Schwartz, Nr. 4; vgl. Niederh. 4, 125.

14.

Auch aus Bresegard bei Grabow wird vom Drachen berichtet, der einem Bauern Alles zutrug, bis er von zwei Bauern gebannt wurde durch ein verkehrtes Wagenrad und in Folge dessen das Haus, in das er hineingefahren, verbrannte. Die beiden Bauern, die das vollbrachten, waren aber Zwillingsbrüder; nur solche können so den Drachen bannen.

Der Drache stahl andern Leuten ihr Eigenthum weg, in verschiedener Gestalt, bald als ›Heister‹, bald als Hase, bald als Fuder Heu, bald als Wehrwolf. Endlich gelang es einem Zigeunerweibe, ihn zu vertreiben. Sie ließ alles Feuer im Dorfe auslöschen, dann [259] ein dürres Holzstück so lange kräftig reiben, bis es Feuer fing, und an diesem ›Nothfeuer‹ mußten alle Frauen im Dorfe sich Feuer für ihren Herd holen. Ueber solches Feuer mußte jede Hausfrau ihren größten Kessel, gefüllt mit fließendem Wasser und ›Hexenkraut‹, in das dritte Gelenk der Kesselkette hängen und den Kessel drei Tage und drei Nächte kochen lassen, bis durch den aufsteigenden Dampf der Drache ›ausgeräuchert‹ war.

Pastor Günther in den Meklenburg. Jahrbüch. 26, 189 ff. und bei Niederh. 4, 148 ff.

15.

Wenn Jemand plötzlich reich wird, heißts ›Dat hett de Drak em wol bröcht.‹ Solchem Reichthum ist nicht zu trauen, der Drache gilt als Unglücksbote.


Aus Eldena; Hilfsprediger Timmermann.

16.

Sobald man einen Drachen über ein Haus ziehen sieht, so heißt es ›Der hat ein Chimcken oder einen Drachen, der ihm was bringt.‹


Franck, Altes und neues Meklenburg I., 257.


Een Chimken de quo in antiquis protocollis inquisitionalibus adversus sagas in Mecklenburgo passim legitur. Quaesiverunt enim in eo defensionem nonnumquam, distinguendo inter commercium cum diabolo et adhibitionem eenes Chimckens. Pro spiritibus mediis haberi voluerunt hi familiares et haecce daemoniola. Labores expedire et curam pecudis, maxime equorum, hos spiritus fabulabantur.

Selecta jurid. Rostoch. III, 24 (1764). Vgl. Temme S. 252.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. 336. Vom Drachen. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-F687-4