a.

Auf Bauernhochzeiten sind (besonders unter den ›Grisen‹) die Leberreime beliebt. In der Suppe, welche einer von den Brautjungfern zuerst präsentirt wird, befindet sich eine Hühnerleber. Die Brautjungfer reicht die Leber der Braut und sagt (jede gibt die Leber mit einem Reime weiter):

1.

Dei Lęwer is von 'n Haun un nich von 'n Tafellaken,
Krieg ik 'nen bösen Mann, ick will em fram maken.
Mit Dissel un Durn
Hau ik em feinslustig üm de Ohrn,
Mit Hassel un Bäuken
Will ik 't versäuken,
Dat hei schrigt: Min hartleiw Wif,
Lat mi doch minen Willen,
Ik will ok girn min gottlos Mul stillen.

Diesen Reim sagt die Braut dem Bräutigam vor, oder:

2.

Dei Lęwer is von 'n Haun un nich von n' Eiteron,
Hüt hevv ik up min Ehrenkron.
Ik nęm sei af, ik legg sei nedder,
Ik glöw, ik krig s' min Dag' nich wedder.

3.

Dei Lęwer is von 'n Haun un nich von 'n Farken,
Min Nawer hett Lüs' un lett sik niks marken.

4.

Dei Lęwer is von 'n Haun un nich von Knüttelsticken,
Dei düt Jor friet, müt anner Jor Bücksen flicken.

5.

Die Leber ist braun und auserkoren,
Ich habe mein feins Liebchen im Schnee verloren;
Ich habe sie gesucht und nicht gefunden,
Ich wollt ihr ein rothseidnes Band verbinden,
Und sie in meine Arme fassen
Und nie aus meinem Herzen lassen.

6.

Ick un min feins Leiwiken seten an 'n Disch,
Hei seg rot ut un ik witt;
Wenn hei lacht, lacht ik mit.

7.

Die Leber ist braun und lieblich,
Junggesellen sind betrüglich,
[86]
Mit den Augen thun sie winken,
Mit dem Herzen thun sie schwenken,
Mit den Füßen thun sie scharren,
Damit haben sie manches Junge Mädchen zum Narren.

8. Schlußreim:

Dei Lęwer is rund,
Ick stęk s' in 'n Mund.

Elbgegend. Lehrer Kreuzzer.

b.

1.

De Lęwer is von 'n Hękt un nich von ne Fleeg,
All de lütten Burjungs liggen inne Weeg,
Mit Mööh warden se grot,
Mit de Pitsch verdeenen se sik ęr Brod.
Gott ward ęr ok dortoo verhelpen
Un ward er 'n lütten Jungen schenken.

2.

De Lęwer is von 'n Hękt un nich von 'n Steen,
Ik bün man noch lütt un kleen,
Un doch mœgens mi girn uppen Danzplatz seen.

3.

De Lęwer is von 'n Hękt un nich von 'n Al,
Min Rock is mi all so kal;
Un wer mi will frigen,
De möt mi gęben 'n nigen.
Un wer mi dat nich kann hollen,
Denn lat he mi gan in min'n ollen.

4.

De Lęwer is von 'n Hękt un nich von 'n Hoon,
Hüt drögt min Jungfer Swester de Ihrenkron,
Min Swager is de Brüdijam,
Dorüm bün ik em ok nich gram.

5.

De Lęwer is von 'n Hękt un nich von ne Knöpnatel:
De dit Jor frig't, möt echter Jor döpen laten.

F. Latendorf in Frommanns Mundarten 5, 285 f.


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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Bartsch, Karl. 269. Leberreime. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-F7C6-0