319. Hochzeit in Bettringen bei Gmünd.

1. Heiratstag.

In der Regel gehen der Heirat Bekanntschaften voraus. Erst dann werden die Eltern davon in Kenntniß gesezt, wenn [341] man heiraten will. Dann wird ein gewisser Tag festgestellt, an dem der Vertrag entworfen und endgültig festgesezt wird. An diesem Tage wird die Uebernahme der Heimat, das Ausgeding und die Mitgift ausgemacht, wobei oft so gehandelt wird, wie um ein paar Ochsen. Der Schultheiß fehlt nicht dabei, er schreibt den Kontrakt. Bemerkenswert ist, daß bei dem Vertrage ein Reugeld ausbedungen wird, sich richtend nach der Größe des beiderseitigen Vermögens, und muß eintretenden Falls unerbittlich erlegt werden, und wenn es gleich eine namhafte Summe ausmacht. An gleichem Tage geht's noch in den Pfarrhof, um die Sponsalien zu halten, wobei verschiedene Zeugen mitgehen. Vor dem Abgang in denselben schießen die Gesellen des Ortes tüchtig; dafür erhalten sie an gleichem Tage im Wirtshause, wo der Heiratstag nachher gehalten wird, einen ordentlichen »Suff«. Bei vermöglichen Brautleuten gibt's eine ordentliche Menge Gäste zusammen, die Käse, Brod und Braunbier zur Genüge haben; zum »Zuspitzen« kommt noch Wein. Bei dieser Gelegenheit wird Nichts bezahlt, da Alles zur Hochzeitzeche geschrieben wird. In dem Wirtshaus, in welchem der Heiratstag ist, da ist auch die Hochzeit.

An den Sonntagen, wo das Brautpaar verkündet wird, sieht man keines der Brautleute in seiner eigenen Pfarrkirche, sondern dieselben sind auswärts, um entweder zur Hochzeit zu laden, oder Einkäufe zu besorgen.

Das Einladen zur Hochzeit besorgt der Bräutigam in Gesellschaft des Hochzeitläders. Beide sind festlich geschmückt und mit großen, bebänderten Stecken versehen. Der Hochzeitläder eröffnet den Reigen und macht den Sprecher, da er sagt:

»Was i nå gang, des wurd ennã bekannt sein: 's Becka Schieles Matthäs (z.B.) und 's Wettaschneiders Marei [342] hant Hauxet. D'Hauxet ischt im Wirtshaus beim Adler in Oberbettringen am Aftermentig. In d'Kirch goht mã um ã neuna, von der Kirch in's Wirtshaus. In d'Küch ischt g'macht: ã Supp, ã Voaressen, Bluat- und Leaber-Würst, g'schnittene Nudla und Rindfloisch, Schweinefloisch und Kraut, Bråtes und Bråtwürst, a Batzaloible und a halbs Bier uff de Mã. Wer nit in's Måhl sitza will, der kãn zehra nåch Belieba. So! jezt stellet ne fein au ein: Jörg, Michel, Marann, Urschel etc. (Söhne und Töchter, Knechte und Mägde), stellet au ihr ui ein!« Jezt spricht der Bräutigam: »Ja, stellet euch ein, älle mit einander, wie er då sind, wenn i d'Schuldigkeit ã legen kân, wêrd es au wieder thun.« Nun sprechen die Eingeladenen: »Ja ja! es wûrd schaũ ebber komma, an uns fehlt's net, in ûnserm Haus kommt älles, då kân mân net neba num.« In den vermöglichern Häusern wird den Beiden mit »Ebbes« aufgewartet: Branntwein, Kirschenwasser, Bier etc., so daß Bräutigam und Hochzeitläder am Ende des Tages bei sehr gutem Humor sind. Auch in auswärtigen Orten ist dies der Fall.

2. Einzug.

Am Samstag in der Regel holt der Bräutigam die Braut ab; wenn's nicht gar zu weit ist, zu Fuß. Im Hause der Braut wird gegessen und getrunken, während unterdessen der Brautwagen geladen und den Trägerinnen »ihr Sach« in den »Kreben« gethan wird. Unmittelbar vor dem Abgange werden fünf Vater unser und Ave Maria und der christliche Glauben gebetet; die Brautleute werden von den Eltern mit Weihwasser besprengt und gesegnet und zulezt verabschiedet. Vor dem Hause warten eine Menge Kinder, auch ältere arme und presthafte Leute, die von den Brautleuten [343] mit Kreuzern oder Groschen beschenkt werden. Das Gleiche findet statt bei der Ankunft im Hause des Bräutigams.

Geschirre, Kleider, Weißzeug etc. wird von eigens dazu bestimmten Mädchen, meistens Verwandten, Nachbarinnen, Kamerädinnen, in weißen »Kreben« (Körben) auf dem Kopfe in's betreffende Haus getragen, und wenn der Weg auch an zwei Stunden beträgt. Je nach der Größe der Aussteuer beträgt die Zahl oft an 30; alle sind mit weißen Schürzen angethan und machen zusammen den Gänsemarsch, d.i. eine nach der andern. Jedes der Mädchen wird vor dem Abgange und bei der Ankunft gehörig gastirt und noch beschenkt. »Die Küchlen« spielen eine Hauptrolle. Keines der Mädchen darf beim Kirchgange und der Hochzeit fehlen.

Auf den »Hauxetwagen« wird das Schreinwerk etc. geladen. Das Brautbett liegt oben und die Nähterin sizt dabei, auch der Schreiner ist auf dem Wagen. Der »Hauxetknecht« ist zugleich Fuhrmann. Er und sein Gespann sind mit Bändern und Sträußen geziert. Bei dem Abgang und der Ankunft des Brautwagens wird tüchtig geschossen. Die Schützen, welche ledige Bursche sind, werden gehörig honorirt. Die Braut oder der Bräutigam bleiben schon von nun an in ihrer zukünftigen Wohnung; sie bringen aber die Nacht bei der Mutter, dem Vater etc. zu. Das Brautbett, auf dem die Hochzeitkleider Beider liegen, werden überall des Tags vor der Hochzeit vom Geistlichen eingesegnet.

3. Hochzeittag.

An demselben kommen vor der Kirche im Hause des Bräutigams oder der Braut, wo eben die zukünftige Heimat ist, zusammen:

Der Bräutigam; er ist bekleidet mit einem dreieckigen [344] schwarzen Hut, einer schwarzen Halsbinde, einem roten Westchen (Leible) mit großen metallenen Knöpfen, kurzen schwarzen ledernen Hosen, die bis zu den Knieen gehen, weißen Strümpfen und Stiefeln, die entweder bis an die Waden oder über die Knie hinaufgezogen sind, mit einem langen, blau tüchenen Rock mit gestelltem Kragen, wie an den Röcken der Landwehrmänner anno 1848 seligen Angedenkens, einem leinenen, weißen Hemd. Ganz früher hatte man statt der Stiefel Schnallenschuhe, und statt des Tuchrocks einen von Barchent. Die mit Silber beschlagene Pfeife fehlte selten, auch das große silberne »Uhrenb'hängt« nicht. Handwerksleute und sog. Herrenbauern haben städtische Kleider.

Die Braut, sie ist ganz schwarz gekleidet. Beide Brautleute haben »Roßmarinstengel« auf der Brust, und die Braut einen glitzernden Kranz auf dem Kopf.

Der Hauxetknecht kommt mit einem entblößten Degen, der am Griff mit Bändern und Sträußen geziert ist. In der Mitte des einen Armes sind ganze Maschen von Sträußen und »Bändel«, und ein großer Rosmarinstengel mit einem Strauß ist vor der Brust. Ist aber die Hochzeit eines reichen Bauers, an welcher viel Hochzeitsgäste zuversichtlich zu erwarten sind, so hat man zwei »Hauxetknechte«, einen großen und kleinen, und die Hochzeit dauert manchmal zwei Tage.

Die beiden »Hauxetmägde« haben Kränze auf dem Kopf, Roßmarinstengel auf der Brust und weiße Schürzen. Sie haben die Funktionen, die Sträuße auszutheilen, sowol im Hause des Bräutigams, als im Wirtshause nach dem Kirchgange. Jeder gewöhnliche »Hauxetgast«, so er verheiratet ist, bekommt einen Rosmarinstengel; ist er aber vornehmerer Art, so bekommt er noch eine Citrone dazu; die Ledigen erhalten Sträuße aus künstlichen Blumen. Daß man aber[345] hiebei ja keine Person vergesse! Die »Hauxetmägde«, zwei an der Zahl, bekommen aber hiefür ein gutes Trinkgeld.

Die beiden, in der Regel verheirateten Zeugen sind mit größeren Sträußen als Andere versehen. Dann kommen die Eltern Beider und die übrigen nächsten Verwandten und Bekannten, die alle mit Sträußen versehen werden. Nach eingenommenem Imbiß bewegt sich der ganze Zug der Kirche zu, die Spielleute voran. Am Schießen, Jauchzen, Schnalzen mit der Zunge etc. fehlt es niemals. Die Spielleute lassen auf dem Wege Märsche, Tänze etc. hören; vor der Kirchthüre machen dieselben rechtsum kehrt und begeben sich meistens – anstatt in die Kirche – in das Wirtshaus.

Früher war es Sitte, daß der ganze Zug sich zuerst in das Wirtshaus begab, dort Wein trank und tanzte, entsprechend der Morgensuppe in Oberschwaben.

Kommt der Hochzeitszug in die Kirche, so beginnt der Organist mit einem lustigen Marsch. Die Brautleute, der Hauxetknecht, die beiden Zeugen und die Hauxetmägde gehen vor zum Altare und stellen sich in die beiden sog. Meßnerbänke zur rechten und linken Seite des Hochaltars auf.

In der Regel ist Hochamt, hernach Kopulation, zulezt Opfer. Bei diesem eröffnet der Bräutigam den Zug von der Männerseite aus, und die Väter der Brautleute beschließen denselben. Bei den Weibsbildern geht die Braut voran und die Mütter beschließen wiederum den Zug. Beim Opfer wird oft gewechselt. Hat Einer ein zu großes Geldstück, z.B. einen Groschen, so nimmt er etwa 21/2 kr. heraus; das Opfergeld liegt auf einem Teller. Kommt es vor, daß der Eine oder Andere kein passendes Geldstück hat, so »dupft« er leer. Das Opfer gehört dem Pfarrer. Hernach geht der Bräutigam in die Sakristei, fragt den Pfarrer um [346] die Schuldigkeit und ladet denselben wiederholt zur Hochzeit ein. Die beiden Ministranten nehmen ein Cingulum, stehen unter die Thüre und halten dasselbe quer dem Bräutigam vor, auf daß er ihnen ein Trinkgeld entrichte, was auch gerne unter manchen Scherzen geschieht.

Wie sich der Zug in die Kirche bewegte, eben so geht er in das Wirtshaus zurück. Der Hauxetknecht muß sich in Acht nehmen, daß ihm die Braut auf dem Wege nicht gestohlen wird, sonst muß er zur Strafe eine Maas Wein bezahlen und wird obendrein von Jedermänniglich recht ausgelacht. – Die Musikanten stehen schon vor der Kirchthüre und spielen Märsche bis auf den Tanzboden. Diesmal begleitet aber den Zug Alt und Jung unter Jauchzen und Schießen, Hüteschwingen, Schnalzen mit der Zunge und den Fingern, halb tanzend etc., kurz, Alles ist voller Leben.

Auf dem Tanzboden im Wirtshause angekommen, bilden die Zuschauer einen Kreis, und alsbald herrscht lautlose Stille: Alle entblößen ihre Häupter. Der Hauxet- oder die Hauxetknechte (wenn zwei) stellen sich hinter der Hochzeiterin auf, und nun beginnt der Hauxetläder folgenden, schon vor vielen Jahren gebräuchlichen Spruch:

»Ehrenhafte, großgünstige, insonders vielgeliebte Freund, Verwandte und Bekannte! Es ist allhier der Hochzeiter sammt seiner vielgeliebten Hochzeiterin, wie auch bederseits Freundschaft. Sie thun sich gegen allen und jeden bedanken, daß ihr den christlichen Kirchgang habt helfen und führen und den Gottesdienst seind beigewohnt und um den himmlischen Segen habt helfen bitten.«

Zum Andern.

»Und daß ihr um allen zu ihren sonderbaren Ehren erschienen [347] und angekommen sein und haben die priesterliche Copulation helfen vollziehen und bestätigen und mit ihrem Gebet und Andacht beigewohnt.«

»Alsdann zum Dritten

thut der Hochzeiter sammt seiner vielgeliebten Hochzeiterin, wie auch bederseits Freundschaft nochmal Allen und Jeden ermahnen und einladen zu dem hochzeitlichen Essen und Trinken, was uns Gott der Allmächtige bescheert hat, und dies wollen wir auch annehmen und genießen und im Frieden miteinander verzehren, daß nicht nur wir, sondern auch Gott der Allmächtige sein Wohlgefallen daran haben möge.«

»Zum Vierten und zum Lezten

wollen wir dem Hochzeiter sammt seiner vielgeliebten Hochzeiterin, wie auch bederseits Freundschaft noch einmal alle miteinander Glück und Segen wünschen, damit sie Gott der heilige Geist möchte erleuchten, daß sie in ihrem ehelichen Stand glücklich im Frieden miteinander leben und hausen mögen. Darzu helf mir und uns Allen gesammtlich die heilige und unzertheilte Dreifaltigkeit: Gott Vater, Sohn und h. Geist. Amen.«

Kaum ist »Amen« gesagt, so thut der Hochzeitknecht einen »Juchzer«, und sind es deren zwei, so schießt der kleine einen Pistol ab. Nebenbei sei gesagt, daß diese Landsleute eine bedeutende Virtuosität im »Jauchzen« haben; manchen hört man eine halbe Stunde weit. Mit der Braut werden nun vom Hauxetknecht drei Schleifer und ein Hopser getanzt; ist sie des Tanzens nicht kundig, so versieht die erste Hochzeitmagd ihre Stelle. Der Hochzeitknecht behält während dieser Brauttänze den entblößten Degen in der rechten Hand. Nach beendigtem Tanze gibt der Tänzer seiner Tänzerin, der [348] Braut, einen Handschlag, sie ihm aber ein Nastuch, das sie in der Tasche bereit hatte. Hernach tanzen der Bräutigam und die Braut und die Zeugen, nach und nachge sellen sich auch andere Paare hinzu. Wer erst später zur »Hauxet« kommen will, der begibt sich einstweilen nach Hause. Die Bleibenden setzen sich an den sog. »Hauxettisch«; der Hauxetknecht steckt seinen Degen in die Decke des Zimmers über dem Hauxettisch. Die Hochzeitleute, die nächsten Anverwandten etc. »sitzen in's Mahl«, oft ein halbes Hundert und darüber. Die Speisen werden aufgetragen, wie sie der Hochzeitlader schon beim Einladen herzählte. Pausen werden stets gemacht, unter welchen getanzt wird. Der Hauxetknecht hat die Verpflichtung, jedes anwesende Weibsbild, sei es verheiratet oder ledig, alt oder jung, hübsch oder häßlich, zum Tanz »aufzuziehen« und, falls sie geht, mit ihr zu tanzen. Die Aufforderung folgt in der Regel so: Urschel u. dgl., wellen mer net au drei thũ? Oder: Marei, komm mer wennt au naus mit einander? Oder: Bärbele, ja wie moischt, wellet mers net au probieren? u. dgl. Verheiratete und ältere Weibsleute stellen sich oft so, als ob sie nicht tanzen wollen, obgleich sie es gerne würden. Endlich nach langem und vielem Zusprechen Anderer und nach manchem Hin- und Herzerren des Hauxetknechtes geben sie mit innerer Freude und Selbstzufriedenheit ihre Einwilligung dazu und tanzen oftmals wie die Jungen. Aus diesem Grunde sind bei einer großen Hochzeit zwei »Hauxetknechte« da. Die Hauxetmägde haben außer der Austeilung der Sträuße an die Gäste, die erst während des Nachmittags und später kommen, die gleiche Funktion bei den Mannsleuten zu verrichten, gleichviel, ob verheiratet oder ledig, jung oder alt. Bedeutende Verdrießlichkeiten und Unannehmlichkeiten sezt es [349] ab, wenn man den einen oder andern Hochzeitgast »übersehen« sollte. Natürlich erlustigen sich auch noch viele anwesende Gäste durch Tanz, ohne durch officielle Weise hiezu eingeladen zu werden. – Bei jeder Hochzeit werden nur ganz kurze Tänze aufgespielt, und nach einigen Tänzen geben die Spielleute durch Klopfen an eine Geige das Zeichen, daß es nunmehr am Platz sei, den »Spiellohn« zu bezahlen. Der Tänzer zahlt sechs bis zwölf Kreuzer. Auch Tafelmusik wird während des Essens gemacht. Dafür werden die Spielleute besonders belohnt. Nebenbei sei gesagt, daß die Spielleute den ganzen Tag im Essen und Trinken frei sind. Nach der Mahlzeit hält der Hochzeitläder den zweiten Spruch, der also lautet:

1.

»Ehrhafte und vorgeachte insonders liebwerte Hochzeitgäst! Es ist allhier der Hochzeiter sammt seiner vielgeliebten Hochzeiterin, wie auch bederseits Freundschaft; sie thun sich gegen Gott den Allmächtigen bedanken, daß er sie heutigen Tags durch sein heiligmachendes Wort und durch die Gnad' des hl. Geistes zu dem hl. Sakrament der Ehe kommen und geraten hat lassen.«

2.

»Und daß sie nun allen zu ihren sonderbaren Ehren erschienen und ankommen sind und haben dem christlichen Kirchgang mit ihrem Gebet und Andacht beigewohnt und die priesterliche Kopulation helfen vollziehen und befestigen, welches geschehen ist durch den Hochwürden und Hochgeehrten Herrn Pfarrer und Seelsorger allhier.«

3.

»Wissen wir auch, daß der Ehestand nicht nur eine geringe Ceremonie oder schlechter Gebrauch ist, nicht nur von den Menschen erdacht, sondern von Gott selbst im Paradies [350] ist eingesezt worden. Dahero es auch gar löblich und schön ist, daß einer dem andern zur Hochzeit gehe, bediene und verehre. Es sagt auch der hl. Apostel Paulus bei den Ephesern am fünften Kapitel, es sey ein großes Sakrament; dessen gibt uns auch ein Exempel der hl. Johannes am andern Kapitel, da er spricht, daß unser lieber Herr sammt seiner werten Mutter und vielgeliebten Jüngern der Hochzeit zu Kana in Galiläa beigewohnt, dieselbe verehret und bedient und mit seinem ersten Wunderzeichen geziert und aus Wasser den besten Wein gemacht, damit sich die Hochzeitgäst daran ersättiget und erlustiget haben.«

4.

»Hat uns Gott der Allmächtige heutigen Tags durch seinen reichen Segen Essen und Trinken gegeben und bescheret, daß wir uns Alle nach Notdurft daran ersättiget und erlustiget haben und die Speisen in bester Form und Ordnung währen vor und aufgetragen worden.«

5.

»Vielgeliebte! in Gegenwart tut der Hochzeiter sammt seiner vielgeliebten Hochzeiterin, wie auch bederseits Freundschaft sammt die ganze wirtschaftliche Behausung sich gegen allen und jeden Hochzeitgästen höflich bedanken, daß ihr hättet mit den Gaben Gottes vor lieb und gut angenommen. Sollte es aber sein, daß bei einem oder dem andern ein Abgang oder Mangel verspürt worden, so sei selbiges großgünstiges gebeten, man wolle es ihnen nicht für ungut oder übel aufnehmen.«

6.

»Liebwerteste Hochzeitgäst! Wissen wir auch, daß es ein alter Gebrauch und Herkommen ist, daß man an einem hochzeitlichen Ehrentag nach abgehaltener Mahlzeit denen neu [351] angehenden Eh'leut mit einer ehelichen Schenkung begegnen soll, damit sie ihre bevorstehende Haushaltung desto leichter könnten antreten und zu einem glücklichen Ende ausführen möchten, so ist Allem und Jedem zu wissen gemacht, daß ich werde nach geendigtem Spruch oder Dankrede mit einem Teller von einem Tisch zu dem andern gehen, da kann ein jedes darein legen, was sein guter Will und Meinung ist.«

7.

»Vielgeliebte Eh'leut! Sollte euch Gott der Allmächtige etwas bescheren, so wendet es an zu eurem Seelenheil und des Leibs Wolfahrt, kommt also dem Exempel des heiligen Tobias und seiner vielgeliebten Jungfrau Sara nach, sprecht in allen euren zufallenden Widerwärtigkeiten und Trübsalen: laßt uns niederfallen vor unserm Gott und ihn bitten um Geduld und Segen, damit er euch wölle geben nach dem zeitlichen das ewige Leben. Dazu helf euch und uns allen die allerheiligste und unzertheilte Dreifaltigkeit: Gott Vater, Sohn und hl. Geist. Amen.«

Jezt geht der Hochzeitläder an allen Tischen herum mit einem Teller; ihm folgt der Hochzeiter und die Hochzeiterin; ersterer nimmt die Gaben vom Hochzeitlader in Empfang und bedankt sich bei jedem einzelnen Geber; auch die Braut läßt's an dankenden Worten nicht fehlen und gibt jedem Geber den sog. »Hauxetwecken«. Das ist ein Kreuzerbrod. Wer später kommt, schenkt besonders. Die Brautleute erwiedern: »So î dank, wenn îs wieder wett machen kan, wurr is au thun.« Keiner kommt zur Hochzeit, ohne etwas zu schenken. Die Hochzeitgeschenke bestehen in Geld, und zwar vom Kronenthaler bis zum Zwölfer abwärts, so daß oft ein Hochzeitpaar über 100 Gulden einnimmt.

Die Hochzeitleute und die Eltern Beider bringen jedem [352] Hochzeitgast Wein zu trinken. Kein Hochzeitgast verläßt das Wirtshaus, ohne von dem Bräutigam oder der Braut, oder von beiden bis unter die Hausthüre begleitet zu werden. Sind's nur einigermaßen angesehene Leute, so wird ihnen »naußg'macht«. Dies geschieht von zwei bis drei Musikanten. Dabei wird oft viel Wein getrunken, welchen der bezahlt, dem man »auße« macht. Alle Umstehenden können trinken. Es wird im Hausgang, auf dem Hof etc. alsdann noch getanzt. Dabei wird auch noch gesungen und die Spielleute begleiten den Gesang; diese verdienen dabei ihr gutes Stück Geld. Das »Außemachen« geschah früher oft bei einem halben hundert Personen; ob jezt noch, weiß ich nicht.

Am Abend kommen die Ledigen beiderlei Geschlechtes. Jezt wird's erst recht lustig. Vor jedem Tanz wird ein Liedlein gesungen. Oft kommen auch im Gesang Sticheleien vor, was am Ende nicht selten zu Reibereien führt. Solche Liedlein sind z.B.:


1.
Selt dunten am Zaun
Do woidet mein Braun.
Ei lass'n nû woiden,
I sich 'n ja schaun.
2.
Ueber Stigl, über Zaün
Hopf i zu der Schlambell nein;
D'Schlambell hat 'n gotzige Rock,
In der Mitt hot der 'n Loch.
Bei diesen Liedlein singt in der Regel Einer vor und die Andern fallen alsbald im Chore ein.

Nach dem Tanze läßt der Tänzer seine Tänzerin trinken; ist es sein Schatz, so sezt er dieselbe neben sich an den Tisch. [353] Auch bei den Ledigen wird »über Tisch gemacht«, und zwar wird jeder Tisch besonders genommen. Dabei wird von allen Gästen, die singen können, gesungen; die Musikanten haben hiebei die Begleitung zu besorgen. Ein Musikant, der die Melodie der vorgesungenen Liedlein nicht nachspielen kann, kann »nex«. Von der Wirtsmagd wird der »Spielkreuzer« eingesammelt.

Dem Pfarrer bringt eine der »Hauxetmägde« Nachmittags in den Pfarrhof ein Nastuch, eine Flasche Wein, einen Braten und ein paar Würste, eine Citrone und einen Rosmarinstengel. Er selbst erscheint auch bei der Hochzeit, bevor der zweite Spruch gethan wird.

Nachts 12 Uhr brechen die Hochzeitleute auf. Zuvor muß aber der Hauxetknecht der Braut den Kranz herunternehmen. Die Musikanten spielen hiezu ein gewisses Stück auf; wird er während dieser Zeit mit seiner Arbeit nicht fertig, so kostet es ihn eine Maas Wein.

Die Tobiasnächte werden auch hin und wieder gehalten, d.i. der Bräutigam berührt seine Braut drei Nächte nacheinander nicht. Durch diese Enthaltsamkeit hofft man eine »arme Seel« zu erlösen.

Des andern Tags gehen die Hochzeitleute in die Kirche, hernach in's Wirtshaus und bezahlen die Zeche, die ihnen wiederum einen großen Theil des gestern Geschenkten raubt.


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TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. 319. Hochzeit in Bettringen bei Gmünd. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-0461-4